…dieses Mal irregulär ohne Business-Sektion. Doch dafür mit riesiger Good-News-Sektion
(insgesamt 14 Minuten Lesezeit)
Der Blitzüberblick_
Die wichtigsten Themen:
- Die Gegenoffensive in der Ukraine hat begonnen
- Russland im Chaos
- Die AfD ist im Aufwind und heimst ihren ersten kleinen Wahlerfolg ein
- Deutschlands Wirtschaft schwächelt, doch gesetzgeberisch ist viel los
- Auch die EU bringt eine Reihe neuer Projekte auf den Weg
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine_
(1 Minute Lesezeit)
Turbovariante: Die Gegenoffensive läuft und stößt auf Schwierigkeiten – doch sie hat noch einige Monate Zeit.
Die Gegenoffensive der Ukraine hat begonnen. Intensive Kämpfe finden entlang der gesamten Front statt; die Verluste auf beiden Seiten erscheinen hoch. Der Fortschritt der Ukraine ist behäbig, wenn auch relativ kontinuierlich. Einige westliche Beobachter sind enttäuscht und auch Kiew räumt ein, dass es sich mehr erhofft hatte. Russische Verteidigungsstellungen, Minenfelder, fehlende Luftüberlegenheit und ein taktisch intelligenteres Vorgehen des Gegners setzen der Ukraine zu. Die Zerstörung des Kachowka-Damms mit seinen schwerwiegenden ökologischen und sozialen Folgen hat unklare militärische Folgen, doch scheint amphibische ukrainische Operationen über den Fluss Dnjepr zu erschweren.
Wichtig ist es, zu beachten, dass die Gegenoffensive noch in einem sehr frühen Stadium steht. Ein Großteil der bestausgebildeten, bestausgerüsteten Bataillone – offenbar neun von zwölf – warten noch auf den Einsatz. Stattdessen geht es der Ukraine aktuell darum, Schwachstellen in der russischen Verteidigung zu entdecken, neue Schwachstellen zu kreieren (z.B. durch die Auflösung von Minenfeldern) und die russischen Kapazitäten abzunutzen, bevor die besten Truppen zuschlagen. Die Operation wird Wochen oder Monate andauern. Auch die Offensive in Cherson benötigte einige Monate, bevor sie im November 2022 in einem Sieg endete. Der blitzartige Überraschungsschlag in Charkiw/Luhansk im September 2022 hat bei vielen Beobachtern falsche Erwartungen über das Tempo einer groß angelegten Gegenoffensive geschaffen.
Minefields and Menace: Why Ukraine’s Pushback Is Off to a Halting Start – New York Times
Krisengebiete: Russland und Sudan_
(1 Minuten Lesezeit)
Turbovariante: Ein Fiebertraum in Russland. Sudan weiterhin in der Krise.
Russland
Der Wagner-Aufstand in Russland war die größte Story im Juni. Die Söldnergruppe wandte sich am 23. Juni gegen die Armeeführung, eroberte die Großstadt Rostow am Don und marschierte auf Moskau zu. Abrupt erklärte Söldnerführer Jewgeni Prigoschin die Revolte einen Tag später für beendet und ging ins Exil. In unserem Explainer Russland: Die Geister, die du riefst analysierten wir die Lage genauer.
In der Woche seitdem ist relativ wenig an belastbaren Informationen hinzugekommen. Prigoschin befindet sich tatsächlich im Exil in Belarus und verpasst dessen Machthaber Lukaschenko einen großen Image-Sieg. Wladimir Putin versucht, das Bild des Angeschlagenseins zu zerstreuen und demonstriert Stärke, während er im Hintergrund eine Säuberung des Sicherheits- und Militärapparats vornimmt und die Wagner-Gruppe propagandistisch zu zerstören versucht. Prominentestes Opfer scheint Sergej Surowikin zu sein, ein kompetenter General, welcher als Wagner-nah gilt.
What next for Wagner? Russia’s Putin battles to regain control after short-lived revolt – CNBC
Sudan
Der Bürgerkrieg im Sudan hält an. Weder die Armee noch die RSF-Miliz haben bislang einen entscheidenden Vorteil errungen, trotz regelmäßiger Berichte in die eine oder andere Richtung. Der Konflikt droht, das Land mit seinen 46 Millionen Menschen zu zerrütten und destabilisiert eine ohnehin volatile Region.
Why is Sudan so prone to civil war? – NPR
Was passiert im politischen Deutschland?_
(1 Minute Lesezeit)

Turbovariante: Streit, Streit, Streit (und Skandale) – freuen tut es vor allem die AfD.
Deutschland wurde im Juni von zwei Themen dominiert: Dem anhaltenden Dauerstreit der Ampelregierung und dem Aufstieg der AfD. Zu ersterem mehr in der Rubrik “Wirtschaft in Deutschland”.
Die AfD befindet sich derzeit auf einem Höhenflug und konnte das Ende Juni mit einem großen Erfolg krönen: Sie stellt den ersten Landrat, nämlich in einem thüringischen Landkreis. In ihren zehn Jahren zuvor hatte sie nie einen Wahlerfolg jenseits der Dorfebene geschafft. In Anbetracht von rund 20 Prozent Stimmenanteil in Umfragen ist der Erfolg nicht überraschend und – es auszuschreiben klingt fast ein wenig lächerlich – auf Bundesebene höchstes von symbolischer Relevanz.
Im medialen Diskurs und bei den “etablierten” Parteien sorgt der Erfolg trotz seiner lokalen Dimension für Aufregung. Insbesondere CDU und Grüne machen einander Vorwürfe, dafür verantwortlich zu sein. Die CDU kündigte offen an, stärker in Abgrenzung zu den Grünen treten zu wollen. Die Behörden prüfen derweil, ob der AfD-Wahlsieger überhaupt hätte kandidieren dürfen: Seine “persönliche Eignung” und Verfassungstreue könnten nicht gegeben sein, so das Thüringer Verwaltungsamt.
(Mehr in der Rubrik “Wirtschaft in Deutschland”)
Außenpolitik: Dialog im Indopazifik, Rausschmiss aus Mali_
(1 Minute Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Peking und Washington suchen Beruhigung; Mali beendet die UN-Mission im Land.
Die USA und China sprechen
Zum ersten Mal seit 2018 besuchte ein hochrangiger US-Offizieller Peking. Außenminister Antony Blinken traf dabei nicht nur seine Konterparts, sondern überraschenderweise auch Präsident Xi Jinping – ein Zeichen, dass beide Seiten wenn schon nicht Annäherung, dann immerhin Entspannung suchen. Entsprechend positiv fiel die Rhetorik im Anschluss aus. Vorsichtig positiv, doch das ist realistisch das Beste, was es im amerikanisch-chinesischen Verhältnis derzeit rauszuholen gibt. Ein Xi-Biden-Treffen wird wahrscheinlicher.
Honorable mention: Auch Deutschland spricht mit China, nämlich im Rahmen einer sogenannten Regierungskonsultation. Diese ist meist – doch nicht ausschließlich – Partnerländern vorenthalten. Entsprechend stieß die Entscheidung, das Format mit China abzuhalten, seitens einiger Beobachter auf Kritik.
Xi and Blinken exchange warm words while refusing to budge – The Guardian
Mali schmeißt den Westen raus
Die Militärjunta in Mali will nicht länger mit UN-Truppen bei der Bekämpfung der Islamisten im Norden zusammenarbeiten, sondern setzt stattdessen auf Russland und dessen Söldnergruppe Wagner. Das ist beileibe nichts Neues mehr, doch hat im Juni einen Höhepunkt erreicht: Mali verlangte ein umgehendes Ende der UN-Mission MINUSMA; der UN-Sicherheitsrat leistete dem Ende Juni Folge und beschloss den Abzug bis Ende September. Auch Deutschland wird sich schon bis Ende 2023 und nicht erst im Frühjahr 2024 aus dem Land verabschieden.
UN Security Council ends peacekeeping mission in Mali – Al Jazeera

Die eine wichtige Wahl des Monats_
(1 Minute Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Diesen Monat nur Griechenland (unter “Ferner liefen” ließen sich Guatemala und Sierra Leone erwähnen).
Griechenland
Premier Mitsotakis hat es offiziell geschafft und wurde wiedergewählt. Das gelang ihm theoretisch schon im Mai, doch er ging in eine zweite Wahlrunde, um sich per Siegerbonus (eine Eigenheit des griechischen Systems) eine klare Mehrheit verpassen zu lassen. Diese hat er nun, seine konservative Nea Dimokratia regiert künftig also ohne Koalitionspartner. Eine (für griechische Verhältnisse) starke Wirtschaftsdynamik war Mitsotakis’ beste Hand, doch auch seine strenge Flüchtlingspolitik dürfte ihm mehr geholfen als geschadet haben. Weg vom Fenster ist dagegen vorerst Alexis Tsipras, welcher sich als Parteichef der linken Syriza abmeldet. Er ist gerade in Deutschland bekannt, immerhin agierte er als Premierminister in der Eurokrise und turtelte mit Griechenlands Austritt aus der Währungsunion.
Greek prime minister earns resounding electoral win, as far right makes gains – CNN
Der Mann, vor dem halb Europa zitterte – FAZ (€)
Honorable mention: Eine seit Monaten kräftig zunehmende Fluchtbewegung nach Europa verläuft in hohem Maße durch und an Griechenland vorbei. Im Juni gab es eine markante Erinnerung daran: In einer der schwersten Bootskatastrophen im Mittelmeer in der jüngeren Vergangenheit, südlich von Griechenland, starben womöglich über 600 Menschen. Die Verantwortung der griechischen Küstenwache ist noch unklar, doch es gibt Hinweise auf Fehlverhalten.

Was andere Länder beschäftigt hat_
(1,5 Minuten Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Trump und der Supreme Court beherrschen die USA. Ermunternde Zeichen aus mehreren wackligen Demokratien.
USA
Ex-US-Präsident Trump hält die USA in Atem und unterhalten: Trump wurde zum zweiten Mal strafrechtlich angeklagt, diesmal im Fall um die unrechtmäßige Mitnahme und (noch weniger rechtmäßige) Nicht-Kooperation bei der Zurückgabe von Geheimdokumenten. Die Anklage liest sich äußerst schwerwiegend und Beobachter, darunter auch konservative, sehen den Ex-Präsidenten in einer schwierigen Lage. Zwei (!) Audioaufnahmen, in welchen Trump sein Fehlverhalten anzuerkennen schien, helfen nicht.
Der Supreme Court verabschiedete sich mit vier kontroversen Entscheidungen in die Sommerpause: Erst stützte er die Demokraten, indem er den Einfluss der Republikaner bei der Ziehung von Wahldistrikten limitierte. Kurz darauf erklärte er “affirmative action” für nicht rechtens, Universitäten dürfen also nicht länger die Hautfarbe von Kandidaten als Entscheidungskriterium berücksichtigen (wobei Schlupflöcher zu bleiben scheinen). Und zuletzt kippte er den Schuldenerlass der Biden-Regierung für Studenten und lockerte Antidiskriminierungsregeln für Geschäfte und Organisationen. Die letzten drei Beschlüsse verärgern das progressiv-linke Lager.
Exclusive: CNN obtains the tape of Trump’s 2021 conversation about classified documents– CNN
A conservative overhaul of public life: what the supreme court’s term means for the US – The Guardian

Gute Zeichen für die Demokratie…
… gab es im Juni in einer Reihe von Ländern. Mexikos Oberstes Gericht hat eine umstrittene Wahlrechtsreform gekippt, welche die Wahlbehörde zugunsten der Regierungspartei geschwächt hätte. In Indonesien ganz ähnlich: Das Verfassungsgericht hat eine Reform des Wahlsystems gestoppt, welche wohl weniger Transparenz und mehr Nepotismus gebracht hätte. In Israel scheint Premier Netanjahu endlich die hochkontroverse Justizreform zu entschärfen, welche über Monate zu bemerkenswert gesamtgesellschaftlichen Massenprotesten geführt hatte. Und ob das achtjährige Politikverbot, welches das höchste Wahlgericht Brasiliens soeben gegen Ex-Präsident Jair Bolsonaro ausgesprochen hat – bis 2030 darf er keine politischen Ämter belegen -, nun ein gutes oder schlechtes Zeichen für die Demokratie ist, mag jedem Beobachter selbst überlassen sein.
Sehr, sehr viele Good News_
(4 Minuten Lesezeit)
Politik
- Die humanitäre NGO Norwegische Flüchtlingshilfe (NRC) hat in Teilen Afghanistans wieder ihre Arbeit aufgenommen. Zuvor haben die Taliban den weiblichen Mitarbeitern der NGO wieder die Arbeit gestattet.
Wir wiederholen unseren Block aus “Was andere Länder beschäftigt hat”:
- Mexikos Oberstes Gericht hat eine umstrittene Wahlrechtsreform gekippt, welche die Wahlbehörde zugunsten der Regierungspartei geschwächt hätte.
- In Indonesien ganz ähnlich: Das Verfassungsgericht hat eine Reform des Wahlsystems gestoppt, welche wohl weniger Transparenz und mehr Nepotismus gebracht hätte.
- In Israel scheint Premier Netanjahu endlich die hochkontroverse Justizreform zu entschärfen, welche über Monate zu bemerkenswert gesamtgesellschaftlichen Massenprotesten geführt hatte.
- Und ob das achtjährige Politikverbot, welches das höchste Wahlgericht Brasiliens soeben gegen Ex-Präsident Jair Bolsonaro ausgesprochen hat – bis 2030 darf er keine politischen Ämter belegen -, nun ein gutes oder schlechtes Zeichen für die Demokratie ist, mag jedem Beobachter selbst überlassen sein.
Wirtschaft
- Deutschland exportierte im vergangenen Jahr nur 745.100 Tonnen Plastikmüll ins Ausland, 9,1 Prozent weniger als im Vorjahr und 51 Prozent weniger als noch 2012.
- Die Windkraft war in Deutschland im ersten Quartal erstmals seit Q2 2020 wieder die wichtigste Stromquelle in Deutschland, mit 32,2% an der Gesamterzeugung (Kohle: 30,0%).
- Die Abholzung im brasilianischen Amazonas-Regenwald ist in den ersten fünf Monaten 2023 um 31 Prozent geringer ausgefallen als im Vorjahreszeitraum. Das könnte ein Hinweis auf die Politikwende unter dem neuen Präsidenten Lula gegenüber seinem Vorgänger Jair Bolsonaro sein.
- Wind- und Solarenergie haben in den USA in den ersten fünf Monaten des Jahres mehr Strom als Kohle geliefert, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes.
- Island setzt den Walfang vorübergehend aus. Es gibt Zweifel daran, inwiefern die Jagd mit dem isländischen Tierschutzgesetz vereinbar ist.
- Der Ausbau des Mobilfunkstandards 5G läuft in Europa schneller voran als erwartet, so eine Studie des Anbieters Ericsson. Bis 2028 werde der Anteil an allen Verträgen von derzeit 13% auf 88% steigen.
- Der Pharmakonzern AstraZeneca möchte 200 Millionen Bäume bis zum Jahr 2030 pflanzen und ihren langfristigen Erhalt sicherstellen. Der Schritt soll der Atmosphäre 30 Millionen Tonnen CO₂ entziehen (etwa 4 Prozent der jährlichen deutschen CO₂-Emissionen) und AstraZeneca dazu verhelfen, bis 2045 klimaneutral zu operieren

Gesellschaft
- Argentinien erlaubt Frauen künftig auch ohne ärztlichen Attest den Erwerb der Pille danach. Genauso Japan.
- Die Niederlande erproben kostenlose Sonnencreme-Spender an öffentlichen Plätzen, um die rasant gestiegenen Hautkrebsraten wieder gesenkt zu bekommen.
- Estland hat gestern als erstes zentraleuropäisches Land die homosexuelle Ehe legalisiert. Das Gesetz kam im Parlament mit 55 aus 101 Stimmen durch und gilt ab dem Jahr 2024. In einer jüngsten Umfrage hatten 53 Prozent der Esten die homosexuelle Ehe unterstützt, gegenüber 34 Prozent vor einem Jahrzehnt.
- Eine 2.800 Jahre alte Steintafel, welche assyrischen Keilschrift-Text zeigt, ist von Italien an den Irak zurückgegeben worden. Nun wird die Steintafel im irakischen Nationalmuseum in Bagdad ausgestellt werden.
Forschung und Innovation
- Der Weltraumfirma Virgin Galactic ist ihr erster kommerzieller Weltraumflug gelungen. Damit stößt sie zu einem sehr kleinen Kreis aus Unternehmen in der privaten Weltraumbranche hinzu.
- Die USA haben zum ersten Mal eine Genehmigung für den Verkauf von Laborfleisch erteilt: Die Startups Upside Foods und Good Meat dürfen künftig In-Vitro-Hühnerfleisch vertreiben. Für die noch sehr junge Branche um In-Vitro-Fleisch ist es ein Meilenstein.
- Einem internationalen Forscherteam ist es gelungen, aus Stammzellen synthetische menschliche Embryos zu züchten, ganz ohne Eizellen oder Spermien. Die “Strukturen” befinden sich im frühesten Stadium (genauer: der Gastrulation) und haben weder ein schlagendes Herz noch die Anfänge eines Gehirns, zudem ist unklar, ob und wie lange sie sich weiterentwickeln würden.
Medizin
- Eine Pille konnte das Sterberisiko durch Lungenkrebs um die Hälfte reduzieren, so eine jahrzehntelange Studie mit dem Mittel Osimertinib.
- Eine Kombination der Mittel Avutometinib und Defactinib konnte Eierstockkrebs in 45 Prozent der Fälle bedeutend verringern, doppelt so gut wie die bisherige Standardtherapie
- Ein Bluttest für über 50 Krebsarten konnte in einer großen britischen Studie zwei von drei Krebsfällen identifizieren, was Hoffnungen auf einen Durchbruch in der Frühdiagnostik macht.
- Beim Darmkrebs lässt sich offenbar auf eine Strahlentherapie verzichten, was die Lebensqualität von Patienten erhöhen dürfte. Chemotherapie und OP allein wirkten genauso gut, so eine neue Studie in den USA.
- Parallel geht ein Atemtest zur Früherkennung von Tumoren rund um den Magen in die finale Studienphase. Frühe Studien hatten vielversprechende Ergebnisse geliefert; die Forscher hoffen auf die “Marktreife” in fünf Jahren.
- Forscher haben eine Methode für “laborgezüchtete” Tumore entwickelt. Das soll die Erforschung von Therapien vereinfachen.
- Frauen mit frühen Stufen von Brustkrebs besitzen heute eine 66 Prozent niedrigere Gefahr, zu sterben, als noch vor 20 Jahren, so eine große, jahrzehntelange Studie der University of Oxford.
- Womöglich gibt es bald einen ersten Impfstoff gegen das Chikungunyafieber. Ein Mittel sei ein “exzellenter Kandidat” gegen die Krankheit, welche mit schweren Muskel- und Gelenkschmerzen einhergeht.
- Die EU-Kommission hat den ersten Impfstoff gegen die Atemwegserkrankung Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) für ältere Menschen zugelassen. Das Mittel des britischen Konzerns GSK ist bei Über-60-Jährigen zu 82 Prozent wirksam gegen das RSV; zu 94 Prozent in schweren Fällen.
- Pharmakonzern Bayer hat in einer frühen Phase-1-Studie „vielversprechende“ Ergebnisse bei seinem Wirkstoff Bemdaneprocel gegen die Parkinson-Krankheit verbucht. Bei der Zelltherapie werden neue Zellen ins Gehirn implantiert.
Die Wirtschaft in Deutschland_
(1,5 Minuten Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Heizungsgesetz, Klimagesetz, Verkehrsgesetz, Fachkräftegesetz.
Deutschland ist gerade frisch in die technische Rezession gerutscht und macht vorerst keine Anstalten, sie wieder zu verlassen. Die Dynamik blieb im Juni – beziehungsweise rückblickend in den vergangenen Monaten – zumeist schwach (siehe Liste unten).
Die deutsche Wirtschaftspolitik wird weiterhin vom Haushaltsstreit gezeichnet, auch wenn dieser medial inzwischen eher unterschwellig auftaucht. Bemerkenswert ist, dass Kanzler Scholz sich nun persönlich in die Haushaltsgespräche zwischen Finanzminister Lindner und den Ressorts involviert – ein Versuch, aus der Sackgasse herauszukommen.
Gesetzgeberisch gab es auch einiges:
- Die Saga um das Heizungsgesetz scheint auf der Zielgeraden. FDP und SPD konnten sich in der Entschärfung des grünen Ursprungsentwurfs weitreichend durchsetzen.
- Eine Reform des Klimaschutzgesetzes ersetzt kleinteilige, doch dafür “forciertere” Sektorziele mit einer ganzheitlichen, flexibleren, doch damit auch weniger sektoral spezifischen Emissionsreduktionsstrategie. Auch hier sind die Grünen unglücklich.
- Eine Verkehrsreform gibt den Kommunen mehr Flexibilität in der Verkehrsplanung, darunter in der Einrichtung von Tempo-30-, statt Tempo-50-Zonen.
- Ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll, nun ja, die Fachkräfteeinwanderung ankurbeln. Dafür gibt es ein Punktesystem und, umstrittener, einen “Spurwechsel” für rückwirkende Asylbewerber, welcher einen Anschluss an den Arbeitsmarkt erlaubt. Dazu mehr Familiennachzug.
Was im finalen Entwurf für das Heizungsgesetz steht – Zeit
Reform des Straßenverkehrsrechts: Leichter zu Tempo 30 und Radwegen – Tagesschau
„Ich hätte das jetzt nicht gebraucht“ – Habeck verteidigt Reform des Klimaschutzgesetzes – Welt
Deutschland wird ein modernes Einwanderungsland – Bundesregierung

Was erfuhren wir über die Wirtschaft in Deutschland?
Makro
- Die Inflationsrate stieg von 6,1% im Mai auf 6,4% im Juni, teils wegen Basiseffekten (Tankrabatt, 9-Euro-Ticket). Die gefühlte Inflation betrug laut Allianz Trade 18%.
- Das Ifo-Institut senkt seine Wachstumsprognose für 2023 auf minus 0,4%; auch viele andere Analysten sind pessimistischer geworden.
- Auch Konsumklimaindex und Geschäftsklimaindex fielen im Juni, ersterer zum ersten Mal seit Herbst 2022.
Unternehmen und Arbeitsmarkt
- Die Industrieaufträge gingen im April um 0,4% zum Vormonat zurück und lagen 9,9% unter dem Vorjahresniveau – ein enttäuschender Wert.
- Windkraft war im ersten Quartal die wichtigste Stromquelle, mit 32,2% Anteil an der Stromerzeugung (Kohle: 30,0%)
- Der IT-Fachkräftemangel erreichte 2022 mit im Schnitt 34.000 offenen Stellen (+77%) ein Rekordhoch.
- Der Kapitalabzug aus Deutschland erreichte 2022 mit netto 132 Milliarden USD ein Rekordhoch.
Soziales
- Der durchschnittliche Wohnraum der Deutschen ist seit 1991 um 37% auf 47,7 qm gestiegen.
- Das Auto bleibt beliebt: 64% der Deutschen nutzen es an mindestens 100 Tagen im Jahr, nur 2 PP weniger als 2017.

Megathema Inflation & Energie_
(1 Minute Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Die Energiekrise will, dass du sie nicht vergisst.
Die Energiekrise
Da war doch etwas? Kleinere Meldungen über Störfälle sorgten für kräftige Ausreißer an den europäischen Gasmärkten, welche allerdings nach wie vor weit unter dem Niveau aus 2022 bleiben. Dennoch: Eine Erinnerung daran, dass die Energiekrise noch längst nicht in die Geschichtsbücher gehört. Je nach dem, was passiert, könntest du von ihr im Herbst wieder reichlich hören.
Honorable mention: Den Winter 2023/24 wird Europa ohne das Gasfeld in Groningen als “back-up”-Option stemmen müssen: Die Niederlande schließen es vorzeitig, denn die Lokalbevölkerung hat keine Lust auf Erdbeben.
Die Inflation
Die Inflation bleibt in den meisten Industriestaaten spürbar erhöht, doch auch unter ihren Höhepunkten im Jahr 2022. Spannender ist drum der Blick auf die Türkei: Die Erdogan-Regierung ernennt einen ernstzunehmenden Finanzminister und eine ernstzunehmende Zentralbankchefin, welche umgehend eine kräftige Leitzinserhöhung ankündigt – endlich, denn jahrelang fuhr das Land eine suspekte Niedrigzinsstrategie. Allerdings fiel der Schritt nur moderat kräftig aus und stützte die Währung damit kaum. Wie die Auswirkungen auf die Inflation sein werden, wissen wir in Kürze.
The end of Erdoğanomics? Turkey almost doubles interest rates to fight inflation – Politico
Die Aktienmärkte_
Turbo-Zusammenfassung: Die Märkte bleiben optimistisch, schließlich bleiben die Firmen resilient. Im Juni zudem wenige makroökonomische Nackenschläge oder Bankenkrisen.
Index: 30-Tage-Entwicklung (Entwicklung seit Jahresbeginn)
Dax 40: +0,60% (+14,77%)
S&P 500: +3,92% (+16,38%)
Dow Jones: +1,91% (+3,84%)
Nasdaq: +4,35% (+39,74%)
Nikkei: +5,28% (+29,06%)
MSCI World ETF (iShares): +1,17% (+13,86%)
Bitcoin: +10,11% (+80,34%)
Quelle: Google Finance, onvista
Viel neues in der EU_
(30 Sekunden Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Chips, Kryptoregulation, Bankenabwicklungen und Pharma.
Die EU regulierte im Juni munter vor sich her:
- Akkus dürfen künftig nicht fest in Geräten verbaut oder verklebt werden, müssen also austauschbar und wiederverwertbar sein.
- Das EU-Parlament hat sich für ein besonders strenges Lieferkettengesetz ausgesprochen, welches zahlreiche Firmen für soziale und Umweltverstöße entlang ihrer Lieferkette – also auch bei Zulieferern – haftbar machen würde. Nun verhandelt das Parlament mit den EU-Staaten.
- Das EU-Parlament hat sich auf eine Linie für KI-Regulierung festgelegt. KI-Anwendungen würden in vier Risikostufen eingeteilt und unterschiedlich stark eingeschränkt werden, bis hin zum Komplettverbot. Auch hier muss nun mit den EU-Staaten verhandelt werden.
- Ein Umweltgesetz, welches die Wiederherstellung von 20% der geschädigten Land- und Wasserflächen in der EU vorsieht, könnte demnächst am Widerstand der konservativen Fraktion bereits im Parlament scheitern.
