(insgesamt 16 Minuten Lesezeit)
Der Blitzüberblick_
Die wichtigsten Themen:
- Nadelstiche im Ukrainekrieg, und zwar bis nach Moskau
- Die Türkei behält Erdogan
- Syrien ist wieder da
- Deutschland steckt in der Rezession und seine Parteienpolitik im Streit
- Nvidia führt den jüngsten KI-Boom an
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine_
(1 Minute Lesezeit)
Turbovariante: Noch immer keine Gegenoffensive, dafür viele Nadelstiche.
- Die Ukraine hat auch im Mai nicht ihre große Gegenoffensive begonnen. Allerdings hatte sich zuletzt auch abgezeichnet, dass sie noch warten könnte, um Vorbereitungen abzuschließen, Material zu empfangen (u.a. Langstreckenraketen aus Großbritannien – und irgendwann in der Zukunft F-16-Kampfjets) und besseres Wetter abzuwarten.
- Stattdessen gelangen der Ukraine taktische Erfolge bei Bakhmut, welches allerdings zumindest im Stadtkern nach knapp achtmonatiger Belagerung an Russland gefallen zu sein scheint.
- Zudem gab es Nadelstiche, wie eine ungeklärte Drohnenattacke auf Moskau und den unerwarteten Überfall russischer, proukrainischer Rebellenmilizen gegen Russlands Grenzregion Belgorod, welche die Kriegsmoral und die Stellung des Kremls innerhalb Russlands zu beeinflussen scheinen.
- Es könnte sich um Versuche handeln, Russland zur Verlagerung von Soldaten und Gerät zu zwingen – sogenannte “shaping operations“, welche gemeinsam mit strategischem Artilleriebeschuss gegen Versorgungszentren einer Offensive vorangehen würden.
- Die Ukraine hat zudem neues Gerät zur Hand: Großbritannien hat “Storm Shadow“-Langstreckenraketen geliefert und wohl ab September dürfte es halbwegs moderne (im Vergleich zum bisherigen Sowjetgerät) F-16-Kampfjets geben.
- Symbolisch für den durchwachsenen Kriegsverlauf blieb die wichtige Weltkriegs-Siegesfeier in Moskau am 9. Mai auffällig reduziert – ein einziger Panzer rollte in der Parade.
Bakhmut falls silent as Russia and Ukraine trade air raids – Al Jazeera
Was waren die Krisengebiete?_
(1 Minuten Lesezeit)
Turbovariante: Weiter Konflikt im Sudan; Kosovo im Rampenlicht.
Sudan
Die Krise im Sudan streckte sich durch den gesamten Mai und macht keine Anstalten, aufzuhören. Ein von den USA und Saudi-Arabien vermittelter Waffenstillstand hielt sieben Tage lang halbwegs gut und erlaubte eine Verbesserung der humanitären Lage, doch seine Verlängerung scheint zu verpuffen. Keine der beiden Seiten – weder die Armee um General Burhan, noch die RSF-Miliz unter General Hemeti, welche den Konflikt um Machtansprüche im Land eskaliert hatte – erringt eine deutliche Überhand, auch wenn es Hinweise auf eine Offensive des Militärs gibt. Vor dem Juli solltest du keine Besserung erwarten, doch das benachbarte Äthiopien zeigte von November 2020 bis November 2022, dass ein Bürgerkrieg ohnehin lange geführt werden kann.
Residents brace for Sudan army’s recapture of Khartoum from RSF– Al Jazeera
Explainer: Sudan am Scheideweg – whathappened, November 2021
Kosovo/Serbien
Im Mai eskalierten Spannungen im Kosovo in einen schweren Aufruhr, bei welchem selbst Dutzende NATO-Soldaten verletzt wurden. Auslöser war eine umstrittene Wahl, welche die vor allem im Norden lebenden ethnischen Serben boykottiert hatten, und bei welcher mit einstelliger (!) Wahlbeteiligung ethnische Albaner zu Bürgermeistern gewählt wurden. Die (ethnisch albanische) kosovarische Regierung hielt an deren Einsetzung fest und erzürnte damit die Serben – und auch ihre westlichen Partner. Ein Einlenken Pristinas in diesem konkreten Streitfall ist wahrscheinlich, doch der größere, im Hintergrund schwelende Streit zwischen Kosovo und Serbien – und Kosovaren und Serben – bleibt ungelöst, trotz leichter politischer Entspannung in den vergangenen Monaten.
Kosovo PM open to redoing elections after violent protests– Politico
Was passiert im politischen Deutschland?_
(1 Minute Lesezeit)

Turbovariante: Streit, Streit, Streit (und Skandale) – freuen tut es vor allem die AfD.
Keine gute Stimmung in der deutschen Politik im Mai: Die Ampelkoalition streitet sich um das Heizungsgesetz (Grüne dafür, FDP dagegen, SPD schaut besorgt zu) und den Autobahnausbau (FDP will mehr, Grüne weniger, SPD schaut besorgt zu); Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) gerät in die “Graichen-Affäre” um mutmaßlichen Nepotismus eines Staatssekretärs, welchen er nach anfänglichem Widerstand entlässt; der SPD wird Klientelpolitik im Bauministerium vorgeworfen; und Länder und Kommunen streiten sich mit dem Bund um Finanzhilfen bei der Versorgung von Flüchtlingen.
Von dem Hin und Her profitiert in erster Linie die AfD. Sie schafft mit 19% (INSA, 03.06.) das beste Ergebnis aller Zeiten, knapp über 2018 – Spätphase Flüchtlingskrise – und zieht gleichauf mit der SPD. Die Grünen liegen mit 13% ihrerseits so niedrig wie 2018. Die Union kommt auf 27%, die FDP auf 9%, die Linke auf 5%. Mehr
Ergebnisse sind derzeit in Anbetracht der Streits (und dem übergeordneten Kampf um die Haushaltsplanung 2024) rar, doch eines gab es: Die Ampel hat einen Entwurf für die Liberalisierung des Einbürgerungsrechts vorgelegt: Staatsbürgerschaft mit fünf statt acht Jahren, dazu viele erleichternde Bedingungen und keine Abgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft.
Warum die AfD profitieren kann – Tagesschau
„Verengung des Meinungsklimas“ – Merz macht Ampel wegen Umgang mit AfD Vorwürfe – Welt
Honorable mentions: Eine große Razzia gegen die Klimagruppe “Letzte Generation” beschäftigte die Medien und sozialen Medien. In der Bevölkerung wird die Gruppe von 76% der Befragten einer YouGov-Studie abgelehnt.
(Mehr in der Rubrik “Wirtschaft in Deutschland”)
Zwei Wenden in der Außenpolitik_
(1 Minute Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Syrien ist zurück und Japan und Südkorea versuchen das Freundesein.
Syrien ist zurück
Nach zwölf Jahren internationaler Isolation ist Syrien wieder auf dem regionalen Parkett zurück. Damaskus wird in Kürze offiziell wieder vollwertiges Mitglied der Arabischen Liga und Präsident Bashar al-Assad nahm bereits persönlich an einem Gipfel Mitte Mai teil. Syrien war aufgrund des Umgangs mit Protestlern 2011 und der Eskalation zum Bürgerkrieg zum Paria geraten, wobei auch regionale Einflusspolitik eine Rolle in der Isolation spielte. Russland und Iran gerieten zu den Lebensrettern des Assad-Regimes, welches nun praktisch rehabilitiert ist – außer, natürlich, im Westen.
What’s next for Syria after Assad’s regional comeback? – Almonitor
Japan, Südkorea wagen die Annäherung
Es ist nicht das erste Mal und womöglich bleibt es nicht das letzte Mal, doch Japan und Südkorea legen einen historischen Streit nieder und nähern sich an. Seoul macht viele Konzessionen in dem Streit um Japans Kolonial- und Kriegsverbrechen und zieht damit den Groll der eigenen Bevölkerung auf sich. Dafür vertiefen beide Seiten bereits jetzt ihre Sicherheits- und Wirtschaftskooperation; und im Mai gab es ein hochrangiges Ministertreffen sowie einen Gipfel zwischen Premier Fumio Kishida (Japan) und Präsident Yoon Suk-yeol (Südkorea). Die Annäherung bietet sehr viele Chancen für beide Seiten sowie die lose, US-geführte Anti-China-Allianz in der Region. Realisiert werden sie nur, insofern diese Annäherung anders als frühere Anläufe den innenpolitischen Gegenwind überstehen kann.
Explainer: Japan und Südkorea in einer sich verändernden Welt – whathappened, April 2023
Die wichtigsten Wahlen des Monats_
(2 Minuten Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Die Türkei, Griechenland und Spanien.
Die Türkei
An Präsident Erdogan führt kein Weg vorbei. Der Amtsinhaber gewann die Wiederwahl mit rund 52% zu 47% und schüttelte damit die größte demokratische Gefahr seit 20 Jahren Amtszeit in Form eines seltenen Oppositionsbündnisses ab. Umfragen hatten der Opposition gute Chancen zugesprochen, getrieben von einer fragilen Wirtschaftslage, doch Erdogans überraschend starker Sieg in der ersten Wahlrunde machte die Wiederwahl wahrscheinlich.
Die Türkei der nächsten fünf Jahre dürfte an jene der letzten zehn erinnern: Viel politisches Draufgängertum, eine religiös-sozialkonservative Innenpolitik, eine mal konfrontativ-offensive, mal betont entspannende Außenpolitik (insbesondere gegenüber dem Westen), ein Selbstverständnis als unabhängiges regionales Machtzentrum und eine Aushöhlung der heimischen demokratischen Institutionen. Wirtschaftlich droht eine Fortsetzung des verqueren Kurses mit expansiver Geld- und Fiskalpolitik, was die Märkte bereits kurz nach dem Wahlsieg abstraften – auch wenn Erdogan signalisiert, endlich mehr renommierte Experten ins Team zu holen.
What the world should expect from Erdogan now – Atlantic Council
Explainer: Die Türkei und ihre Schicksalswahl – whathappened, Mai 2023
Griechenland
Die Griechen schenkten dem konservativen Premier Kyriakos Mitsotakis die Wiederwahl. Im Juni geht es allerdings in eine zweite Wahlrunde, da Mitsotakis dort per Siegerbonus eine absolute Mehrheit erringen könnte, statt eine Koalition benötigen zu müssen – eine Eigenheit des griechischen Systems. Der Konservative hat trotz mehrerer Skandale (darunter ein Spionageskandal) ein starkes Portfolio vorzuweisen: Unter ihm gelang es Griechenland, die schmerzhafte Eurokrise vollständig hinter sich zu lassen und wieder eine ordentliche Wirtschaftsdynamik an den Tag zu legen.
A stunning election result for Greece’s prime minister – The Economist
Spanien
Die Rechte in Spanien, in Form der konservativen PP und der rechtspopulistischen Vox, befindet sich im Aufwind. Ihr Erfolg bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai war eine derartige Schlappe für den sozialdemokratischen Premier Sánchez, dass er kurzerhand Neuwahlen für Ende Juli ansetzte – auch aus wahlstrategischen Motiven: Denn bislang könnte die PP wohl nur mit Vox im Schlepptau regieren, was ein pikantes Thema für sie ist. Nicht ganz so inakzeptabel wie eine Zusammenarbeit mit der AfD in Deutschland, aber dennoch reichlich übler Beigeschmack für viele moderate Wähler und Politiker.
Vox’s role as kingmaker takes centre stage in Spain – FT
Honorable mentions
In Thailand gelang der prodemokratischen Opposition ein großer Parlamentswahlsieg, doch das Militärestablishment könnte dem Wahlsieger “Move Forward” noch den Zugriff auf die Hebel der Macht verweigern. In Paraguay bleiben die Konservativen an der Macht. In Usbekistan lässt sich Präsident Mirziyoyew in einem Pseudoreferendum eine längere Amtszeit bestätigen. In Italien triumphiert die Rechte um die anhaltend beliebte Premierministerin Meloni in den Regionalwahlen.
Explainer: Thailand sucht die Reform– whathappened, Mai
Was andere Länder beschäftigt hat_
(2 Minuten Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Alles auf Trump in den USA, Weichenlegungen in Lateinamerika, viel Ärger in Pakistan.
USA
Der Schuldenstreit hielt die USA im Mai in Atem, wurde aber zu Ende des Monats per Kompromiss gelöst. Ex-Präsident Trump wurde im Mai des sexuellen Missbrauchs schuldig gesprochen; gegen Ende war zudem medial von neuen Beweisen in einem Verfahren um Missbrauch von Geheimdokumenten die Rede. Immerhin: Der Bericht eines Sonderermittlers gab dem Ex-Präsidenten teilweise darin recht, dass die Russlandermittlungen des FBI unsauber abgelaufen waren. Mit Ron DeSantis hat Trumps wohl ärgster Rivale im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur 2024 seinen Hut in den Ring geworfen, doch Floridas Gouverneur liegt derzeit in den Umfragen weit abgeschlagen.
DeSantis on the trail: Combative with critics, not yet cozy with voters – Washington Post
Lateinamerika
In Chile erlangten die Rechten die Mehrheit in einem Verfassungskonvent, welches eine neue Verfassung erarbeiten soll – eine bittere Niederlage für die Linke unter Präsident Gabriel Boric, welche den Prozess seit 2019 maßgeblich angestoßen hatte. Mexiko streitet über eine hochkontroverse Wahlrechtsreform durch Präsident Lopez Obrador, welche Kritiker als Versuch sehen, die Wahlbehörde zu schwächen. In Ecuador hat Präsident Guillermo Lasso das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt, um einem Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen – die Opposition ist wütend. Immerhin: Lasso wird nicht wieder antreten.
Chile constitution: Far-right party biggest in new assembly – BBC
Mexico’s top court invalidates part of president’s electoral reform– Reuters
Ecuadorian President Guillermo Lasso rules himself out of re-election bid – El Pais
Pakistan
Der entscheidende Konflikt in Pakistan ist jener zwischen dem populistischen Ex-Premier Imran Khan und dem “Establishment” aus Regierung und vor allem Militär. Im Mai eskalierte der Streit, denn die Antikorruptionsbehörde ließ Khan verhaften, mit den erwartbaren Massenprotesten als Folge. Das Oberste Gericht ordnete später Khans Freilassung an. Gegen Ende des Monats wurde jedoch der Präsident seiner Partei verhaftet, offenbar ein Versuch, Khan die politische Basis zu entziehen. In jedem Fall bleiben wird aber seine Beliebtheit in der Bevölkerung.
Imran Khan loses his battle with Pakistan’s army – The Economist
Gegen die Demokratie
Kambodscha hat seine einzige verbleibende Oppositionspartei verboten. Der Präsident der Zentralafrikanischen Republik möchte sein Amtszeitlimit per wahrscheinlich fragwürdigem Referendum abschaffen lassen. In Tunesien wurde Oppositionschef Ghannouchi aus suspekten Gründen zu einem Jahr Haft verurteilt. In Hongkong werden künftig nur noch 20% statt 90% der Bezirksratssitze direkt gewählt, den Rest setzen Zentralregierung und pekinghörige Komitees fest.
Viele schnelle Good News_
(2 Minuten Lesezeit)
Politik
- Jordanien beendet seine Notstandsgesetze, welche drei Jahre lang – ausgelöst durch Covid-19 – viele Grundrechte im Land ausgehebelt hatten.
- In Thailand ist der prodemokratischen Opposition ein starker Wahlsieg gegen das Militärestablishment gelungen.
- Auf den Philippinen hat ein Gericht eine prominente regierungskritische Anwältin freigesprochen, welche ins Fadenkreuz der vorherigen Duterte-Regierung geraten war.
Wirtschaft
- Pharmakonzern Bayer hat den größten Deal zu erneuerbaren Energien in der Geschichte der USA abgeschlossen: Er wird den US-Versorger CCE mit 1,4 TWh Strom beliefern, so viel wie 150.000 Haushalte im Jahr verbrauchen.
- Die Lieferengpässe in der Industrie gehen zurück: Im April klagten nur noch 32,9% der Firmen in einer Ifo-Umfrage über Probleme, nach 41,6% im März und über zwei Dritteln im Jahr 2021.
- Die deutschen Großhandelspreise sind im April zum ersten Mal seit 2020 gefallen, haben also eine Deflation an den Tag gelegt – ein positives Zeichen für die Verbraucherinflation. Diese sank im Mai unerwartet kräftig auf ein Jahrestief von 6,1%, auf Euro-Ebene ebenso.
- Deutschland und die Ostseestaaten wollen ihre Offshore-Windinfrastruktur in der Ostsee verknüpfen, also bei der Erzeugung und Übertragung von Offshore-Windenergie zusammenarbeiten. Zwischen Deutschland und Dänemark ist die Kooperation bereits rechtskräftig beschlossen.
- Credit Suisse und Ecuador führen den größten “debt-for-nature swap” der Geschichte durch, bei welchem die Großbank faktisch Schulden vergibt und Ecuador im Gegenzug Gelder für die Galapagosinseln mobilisiert.
Gesellschaft
- Covid-19 und die Affenpocken stellen keinen globalen Notstand mehr dar, so die WHO. Damit ist die Covid-Pandemie, welche zwei Jahre lang die Welt dominiert hatte, so offiziell wie es nur geht vorüber.
- Europäischen Ermittlern gelang ein großer Schlag gegen die italienische ‘Ndrangheta-Mafia. 132 Tatverdächtige wurden im Zusammenhang mit Kokainschmuggel und Geldwäsche verhaftet.
- Das Oberste Gericht in Sri Lanka hat den Weg für eine Dekriminalisierung der Homosexualität freigemacht.
- Die Zahl der Kinderehen weltweit ist in den letzten fünf Jahren zurückgegangen. Auch der Anteil aller Mädchen in Kinderehen sei von 21% auf 19% gesunken.
Forschung und Innovation
- Ein zweiter großer Durchbruch in der Alzheimerforschung: Das Mittel Donanemab von Eli Lilly konnte den Fortschritt der Krankheit um 35% verlangsamen. Wie Lecanemab setzt es an Beta-Amyloid-Peptiden an, ein vielversprechender Ansatz, welcher sich nun bezahlt zu machen scheint.
- Astronomen haben die größte Weltraumexplosion aller Zeiten aufgezeichnet. Vermutlich war der Auslöser eine Gaswolke, welche in ein Schwarzes Loch gesogen wird.
- Eine neue “DNA-Karte” namens “Pangenome” bietet erstmals einen Überblick über die genetischen Informationen von mehr als einem Menschen, wie es noch beim “Human Genome Project” der Fall gewesen war.
Die Wirtschaft in Deutschland_
(2 Minuten Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Rezession und Streit um politische Prioritäten.
Wirtschaftspolitik
- Deutschland befindet sich in der Rezession. Die Wirtschaft sank im ersten Quartal um 0,3% ggü. dem Vorquartal, der zweite Rückgang in Folge. Hohe Inflation drückte den Binnenkonsum (minus 1,2 Prozent), die Auslandsnachfrage litt unter globaler Nachfrageschwäche (Importe: minus 0,9 Prozent, Exporte: plus 0,4 Prozent) und die Firmeninvestitionen wurden durch steigende Zinsen verlangsamt (plus 2,8 Prozent).
- Das 49-Euro-Ticket hatte im Mai seinen Gültigkeitsbeginn und scheint bislang 10 Millionen Käufer zu haben, darunter 700.000 Neukunden im ÖPNV.
- Die Ampelkoalition streitet um das Gebäudeenergiegesetz aka Heizungsgesetz, welches den “grünen” Umbau der Heizungsinfrastruktur vorantreiben soll, als auch um die Frage, wie viele Autobahnprojekte priorisiert behandelt werden sollen.
- Das Wirtschaftsministerium will eine staatliche Kontrolle für Privatinvestitionen ins Ausland einrichten – ein “outbound screening“. Der Vorstoß von Minister Habeck ist allerdings selbst im eigenen Haus umstritten.
- Der Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco in den Hamburger Hafen ist beschlossene Sache.

Was erfuhren wir über die Wirtschaft in Deutschland?
Makro
- Nach minus 0,3% Wachstum in Q1 befindet sich Deutschland in einer technischen Rezession.
- Das überraschende Minus drückt auch viele BIP-Prognosen für das Gesamtjahr, welche nun um die Stagnation herum liegen.
- Die Verbraucherinflation sank im Mai relativ stark auf 6,1% (April: 7,2%).
- Die Reallöhne sanken in Q1 um 2,3%, das vierte Minus in Folge.
Unternehmen und Arbeitsmarkt
- Die Lieferengpässe in der Industrie gehen zurück: Im April klagten nur noch 39,2% der Firmen über solche, ggü. 41,6% im März und über zwei Dritteln im Jahr 2021.
- Ende 2022 waren 170.300 Ingenieursstellen unbesetzt, 21,6% mehr als im Vorjahr.
- 12,3% aller Präsenzarbeitsplätze sind derzeit ungenutzt, ggü. 4,6% vor Covid-19 – ein Hinweis auf die Beliebtheit des Homeoffice.
- Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel im Mai zum ersten Mal seit Herbst 2022, zudem stärker als erwartet.
- Deutschland fällt in einem Innovationsranking des BDI und von Roland Berger zurück und kommt nur noch auf Platz 10.
Soziales
- Wohnungsbaugenehmigungen und Immobilienfinanzierungen gehen beide deutlich zurück, ein Hinweis auf die Schwäche am Wohnungsmarkt aufgrund höherer Zinsen sowie Baukosten und geringerer Nachfrage.
- Der Fleischkonsum sank 2022 um 7,5% auf 52kg pro Kopf, 15% niedriger als 2013.
- Der Anteil der Kinder an der Gesamtbevölkerung ist auf 13% gestiegen (2015: 12,2%).
- Die Zahl der Einbürgerungen lag 2022 28% höher als im Vorjahr, den höchsten Anteil machten Syrer aus (29%).
Megathema Inflation & Energie_
(30 Sekunden Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Zwei Megathemen dürfen kurz Pause machen.
Die Energiekrise
Die Energiekrise bleibt vorerst eingeschlafen und meldet sich frühstens im Spätherbst zurück. Die Preise für Erdgas in der EU (TTF) liegen so niedrig wie zuletzt im Mai 2021, als die Energiekrise höchstens unter Branchenexperten bemerkt worden war. Mit ca. 24 EUR/MWh bleiben die Handelspreise zwar etwa vierfach über dem Normalniveau zu dieser Zeit, doch auch 14-mal niedriger als zum Rekordhoch im August 2022 (ca. 340 EUR/MWh).
Die Inflation
Die Teuerungsraten sinken in den meisten Industriestaaten wieder etwas, nicht zuletzt dank günstigerer Energie. In Deutschland fiel die Verbraucherinflation im Mai auf 6,1% (April: 7,2%), in der Eurozone ebenfalls auf 6,1% (April: 7,0%. Mit leicht anderer Bemessung als in Deutschland, welches nach EU-Methode aktuell 6,3% Inflation hätte). In den USA hatte es im April einen unerwarteten Rückgang auf 4,9% (März: 5,0%) gegeben, im Mai wird Stagnation erwartet.
Die Aktienmärkte_
Turbo-Zusammenfassung: Kurze Sorgen um einen US-Schuldenkrach verfliegen, Optimismus bleibt – und die Techbörse ist vom KI-Boom beflügelt.
Index: 30-Tage-Entwicklung (Entwicklung seit Jahresbeginn)
Dax 40: +1,49% (+14,09%)
S&P 500: +4,68% (+11,98%)
Dow Jones: +1,04% (+1,89%)
Nasdaq: +11,64% (+33,91%)
Nikkei: +8,89% (+22,58%)
MSCI World ETF (iShares): +5,17% (+9,78%)
Bitcoin: -6,42% (+63,66%)
Quelle: Google Finance, onvista
China tut sich schwer_
(30 Sekunden Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Chips, Kryptoregulation, Bankenabwicklungen und Pharma.
- Chinas Industrieprofite sanken im April um 18,2% und liegen damit seit Jahresgewinn um ein Fünftel unter dem Vorjahresniveau – ein Hinweis auf die schwächelnde Wirtschaft im Land.
- Ein weiterer Hinweis: Die urbane Jugendarbeitslosigkeit stieg im April auf ein Rekordhoch von 20,4%, viermal höher als die allgemeine Arbeitslosenrate, welche mit 5,2% zwar seit 2018 in etwa stagniert, doch etwas höher als im historischen Vergleich ausfällt.
- Chinas Investitionen in Europa sanken 2022 um 22% gegenüber dem Vorjahr und lagen so niedrig wie zuletzt 2013. Immerhin: Der Außenhandel legte im April zu, dank einer 8,5%-Steigerung der Exporte bei 7,9% Rückgang der Importe.
Business: Wo es nicht gut lief_
(1 Minute Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Wer kämpfte ums Überleben, wessen Zahlen enttäuschten?
Die Überlebenskämpfe
Vielleicht der letzte Ruf der kleinen Bankenkrise: Die wackelnde US-Regionalbank First Republic wird vom Bankenbehemoth JPMorgan geschluckt. Das gefällt den Behörden, doch nicht allen Konkurrenten, welche Machtkonzentration beklagen. Social-Media-Firma TikTok wird im US-Bundesstaat Montana verboten, was womöglich zum Vorboten für ein landesweites Verbot geraten könnte. Die illustre Medienfirma Vice Media – gleichermaßen für Teenie-Journalismus und knallharte Investigativdokus bekannt – ist insolvent. Die innovative Weltraumfirma Virgin Orbit hört auf zu existieren, konnte also weder eine Konsolidierung aus der Insolvenz, noch einen Komplettverkauf erreichen.
Schwache Zahlen
Enttäuschte Anleger aufgrund schlechter Quartalszahlen gab es bei Flugzeugbauer Airbus, Zahlungsriesen PayPal, Pharmakonzern Bayer und Reederei Hapag Lloyd. Mega-Techinvestor SoftBank erlitt in seinem wichtigen Vision Fund einen beeindruckenden Rekordverlust von 32 Milliarden USD (+69%) im abgelaufenen Geschäftsjahr. Gesundheitskonzern Fresenius und Energiegigant Saudi Aramco schnitten zwar schwach ab, aber besser als befürchtet. Bei Daimler Truck, Siemens Energy und Elektrofachhändler Ceconomy waren die Resultate im Grunde gut, doch Schwachstellen (niedriger Auftragseingang, Siemens Gamesa, hoher Nettoverlust) verschreckten die Analysten.
Wo es gut lief_
(30 Sekunden Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Überall nur Krise? Mitnichten, hier eine kleine Auswahl von Erfolgsstorys.
Die Erfolge
Energiekonzern Uniper musste inmitten der Energiekrise verstaatlicht werden, doch kommt nun wieder auf die Beine. Jetzt will der Konzern schnellstmöglichst wieder die Privatisierung vollziehen. Bei SAP wurde derweil ein langerwarteter Generationenwechsel angestoßen: Gründer und Aufsichtsratschef Hasso Plattner tritt nächstes Jahr ab. Mercedes ist laut EY-Analyse der margenstärkste große Autohersteller.
Starke Zahlen
Gut schnitten im vergangenen Quartal die Großbanken HSBC, UBS, Commerzbank und Unicredit ab, außerdem der Energiekonzern BP, die Autobauer VW und BMW, die Deutsche Telekom, der Neobroker Robin Hood, der Fleischersatzhersteller Beyond Meat, Techriese Apple, Chiphersteller Nvidia und Beteiligungsfirma Berkshire Hathaway.
Alles auf KI_
(1 Minute Lesezeit)

Turbo-Zusammenfassung: Neue und alte Chatbots, viel Diskurs rund um Künstliche Intelligenz.
Künstliche Intelligenz ist nun wirklich bereits seit Jahren ein Megathema, doch der Aufstieg großer Sprachmodelle (Large Language Models, LLM) und der auf ihnen basierenden Chatbots hat dem Feld Adrenalin verpasst.
- Im Mai erreichte Nvidia schwindelerregende Marktwerthöhen und knackte die 1-Billion-USD-Marke, welche bisher nur knapp einer Handvoll Firmen vorenthalten war. Das Unternehmen lieferte nicht nur gute Zahlen, sondern gilt auch als wichtiges Rädchen im KI-Getriebe, sind seine GPU-Chips doch eine Basis für modernste Anwendungen rund um Künstliche Intelligenz.
- Google und Microsoft überboten sich mit der Einbindung von KI in ihre Produktpalette. Die vollständige Veröffentlichung ihrer jeweiligen KI-Chatbots (Bard, Bing) ist dabei nur die Spitze des Eisbergs: KI durchzieht immer mehr Anwendungen.
- Forscher und Branchenköpfe warnten im Mai in offenen Briefen und bei Kongressanhörungen vor den Gefahren der Künstlichen Intelligenz und forderten Regulierung. Dabei geht es um auf den ersten Blick diffuse Stichwörter wie “Halluzinationen” (wie damit umgehen, dass KIs mitunter falsch liegen, teilweise eklatant?) und dem “Büroklammer-Problem” (eine beliebte Story, welche beschreibt, wie ein supermächtiges KI-System trotz scheinbar solider Programmierung katastrophale Resultate für die Menschheit bedeuten könnte).
Nvidia’s Success Will Carry Some Chip Stocks But Not Intel and AMD – Investopedia
Explainer: Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Künstlichen Intelligenz – whathappened, März 2023
Startups_
(1 Minute Lesezeit)
Turbo-Zusammenfassung: Bemerkenswerte Finanzierungserfolge, aber auch Insolvenzen.
Das Gute vorab: Auffällige Finanzierungsrunden gab es im DACH-Raum für Reiseplattform Getyourguide, Flugtaxibauer Lilium, Kredit-Fintech Teylor, und den “SaaS-Manager” Sastrify. Fernbus- und Zuganbieter Flix expandiert nach Indien. In Übersee ist die KI-Schmiede Anthropic hervorzuheben, welche an “foundational”, also grundlegenden und äußerst leistungsfähigen, KI-Modellen arbeitet. Mit 450 Millionen USD erhielt sie eine gigantische Kapitalspritze, welche an die besten Tage der Startupszene (sprich, 2021) erinnert. Wie geht es eigentlich SoftBank und Tiger Global? Achja, nicht allzu gut.
Anthropic leapfrogs OpenAI with a chatbot that can read a novel in less than a minute – The Verge
Einen durchmischten Mai erlebte Lieferdienst Flink. Er erhielt zwar neues Investorengeld und konnte so sein eigenständiges Überleben sichern, doch musste seine Bewertung deutlich herunterstutzen und scheint den französischen Markt aufgeben zu müssen.
Einfach nur schlecht lief es dagegen für E-Auto-Startup (inzwischen Solarzellenverkäufer) Sono Motors, welcher Insolvenz anmeldete (parallel gibt es Probleme rund um eine Crowdfunding-Kampagne). Auch das Sammeltaxi Clevershuttle steht vor dem Aus, da die Deutsche Bahn kein neues Geld nachschießt. Revolut, die größte Neobank Europas, tut sich schwer damit, ihre angepeilte britische Banklizenz zu erhalten und streitet nun mit ihrem Großinvestor SoftBank. Und der Vertical-Farming-Anbieter Infarm hat keine Lust mehr auf die Energiekosten in Europa und erwägt offenbar die Flucht vom Kontinent.
Sono Motors droht Ärger wegen fragwürdiger Finanzierung– Stern