August 17, 2025
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22 Minuten Lesezeit

Was die Bundesregierung bislang getan hat

Dein Nachschlagewerk für (fast) sämtliche Entscheidungen der Bundesregierung vom 6. Mai bis 17. August 2025.
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Zu diesem Explainer

Was hat die Bundesregierung seit Amtsantritt vor knapp 100 Tagen getan und entschieden? Dieser Explainer folgt der Tradition von inzwischen zwei ähnlichen Explainern zur Trump-Regierung in den USA. Das Ziel: Dir so viel wie möglich, in jedem Fall alles Wichtige, aus den vergangenen Monaten aufzuzeigen. Um deinem Gedächtnis eine Stütze zu bieten oder dir zu erleichtern, deine Meinung über die Bundesregierung zu bilden.

Während die Trump-Regierung ein bemerkenswertes, fast überwältigendes Maß an Aktivität aufweist, ist das Handeln der Bundesregierung etwas überschaubarer – auch, weil der legislative Prozess in Deutschland langsamer ist. Obwohl sich dieser Explainer auf tatsächlich Umgesetztes konzentriert, greift er also doch des Öfteren noch nicht realisierte Ankündigungen und laufende Gesetzesvorhaben auf, allerdings stets selektiv. Tatenlos war die Bundesregierung jedoch keineswegs: Wir kommen auf 22 Minuten Lesezeit und große Kapitel zu Außenpolitik und Wirtschaft.

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Explainer zu USA:

Alles, was Trump bislang getan hat (20. Januar bis 27. April 2025)

Alles, was Trump bislang getan hat (27. April bis 27. Juli 2025)

Außenpolitik_

(7 Minuten Lesezeit)

Die außenpolitische Priorität der neuen Bundesregierung. Quelle: President Of Ukraine, wikimedia
Ukraine

  • Die Merz-Regierung erklärte die Unterstützung der Ukraine früh zu einer politischen Priorität; Kanzler Merz traf sich mehrere Male mit Präsident Selenskyj und schien eine Führungsrolle in den europäisch-ukrainischen diplomatischen Manövern einzunehmen.
  • Vor dem Trump-Putin-Treffen Mitte August schien Merz die europäische Seite beim Kontakt zu Trump anzuführen.
    • Die Europäer und die Ukraine (Selenskyj war bei einer Videoschalte persönlich in Berlin bei Merz zu Gast) gaben Trump fünf Forderungen mit auf den Weg, darunter Sicherheitsgarantien für die Ukraine und eine Einbindung Kiews in Gespräche über die Zukunft des Landes.
  • Die Merz-Regierung hat Anfang Mai die Offenlegung von Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt und die Kommunikation diesbezüglich "deutlich reduziert". Neue Lieferungen werden somit nicht mehr wie seit Juni 2022 auf einer Regierungswebsite veröffentlicht.
    • Die Regierung erklärte das mit strategischen Abwägungen; man wolle Russland keine militärischen Vorteile bieten.
    • Kritiker beklagen mangelnde Transparenz, auch, was Versprechen wie die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern betrifft.
  • Gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich stellte die Bundesregierung Mitte Mai ein Ultimatum an Russland: Das Land müsse binnen einiger Stunden eine 30-tägige Waffenruhe in der Ukraine akzeptieren. Russland ignorierte das Ultimatum und die Frist verstrich folgenlos.
  • Es gibt bislang keine Hinweise, dass die Merz-Regierung den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine geliefert hat.
    • Das hatte er im Vorfeld mündlich versprochen, auch wenn Taurus weder im Union-Wahlprogramm, noch im Koalitionsvertrag auftaucht.
    • Mitte Juni verneinte Verteidigungsminister Pistorius (SPD) eine Frage nach der Lieferung von Taurus-Systemen.
  • Die Bundesregierung gab Ende Mai laut Merz die Reichweitenbeschränkungen für die Ukraine auf. Sie dürfe Waffen also beliebig einsetzen, auch gegen russisches Territorium.
    • Gleichzeitig blieb etwas Unklarheit: Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) erklärte, dass es keinen Kurswechsel gegenüber der Vorgängerregierung gebe. Aus der SPD gab es Kritik an Merz' Äußerung.
  • Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigte Mitte Juni eine Kooperation mit der Ukraine in der Rüstungsproduktion an sowie zusätzliche 1,9 Milliarden EUR an Hilfen (die Vorgängerregierung hatte zuvor 7 Milliarden EUR beschlossen).
  • Anfang Juli gab Präsident Selenskyj bekannt, dass Deutschland sich zur Finanzierung zweier neuer Patriot-Luftabwehrsysteme bereit erklärt habe. Das hatte Merz zuvor weniger konkret angekündigt.
Europa

  • Kanzler Merz reiste direkt am ersten vollen Tag seiner Amtszeit nach Paris und Warschau. Damit signalisierte eine außenpolitische Priorität für das Verhältnis zum "Weimarer Dreieck".
  • Mit Emmanuel Macron vereinbarte er Anfang Mai einen "deutsch-französischen Neustart für Europa", vor allem in der Verteidigungspolitik.
    • Berlin und Paris wollen gemeinsame Rüstungsprojekte beschleunigen, etwa einen neuen Kampfpanzer, einen Kampfjet und ein Langstreckenraketenprogramm.
    • Der deutsch-französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat, ein Gremium für Konsultationen, soll gestärkt werden.
    • Macrons Vorschlag, den französischen Nuklearwaffen-Schutzschirm auf Deutschland auszuweiten, wollte Merz diskutieren; ihn aber nicht als Ersatz für den US-Schutzschirm sehen.
    • Weitere Diskussionsthemen waren eine Vertiefung der Kapitalmarktunion, ein gemeinsamer Strommarkt, mehr Handelsabkommen und Innovationsförderung.
    • Ein zweites Treffen der beiden fand Ende Juli statt. Themen waren der Handelsstreit mit den USA, die Kriege in der Ukraine und Nahost, und ein Streit über das Kampfjetsystem FCAS – letzterer soll bis Ende August beigelegt sein.
  • Deutschland und Großbritannien schlossen Mitte Juli einen Freundschaftsvertrag.
    • Er sieht ein Beistandsversprechen im Verteidigungsfall vor, als Ergänzung zum Artikel 5 des NATO-Vertrags.
    • Weitere Kooperationsfelder sind der Kampf gegen irreguläre Migration, die Erleichterung von Rüstungsexporten, Zusammenarbeit bei der Waffenentwicklung, Offshore-Energieprojekte in der Nordsee und gemeinsame Innovationsförderung.
USA

  • Merz besuchte Trump Anfang Juni im Weißen Haus. Das Treffen wurde von beiden Seiten gelobt und von Medien sowie Analysten als Erfolg für den Bundeskanzler im Aufbau eines funktionierenden Verhältnisses nach Washington gewertet.
  • Noch am ersten Amtstag warnte Merz die USA, sich aus der deutschen Innenpolitik "herauszuhalten". Zuvor hatte die US-Regierung die Einstufung der AfD als rechtsextrem durch den Verfassungsschutz scharf kritisiert.
    • Außenminister Rubio hatte die Bundesregierung eine "versteckte Tyrannei" genannt; zuvor gab es Kritik von Vizepräsident JD Vance und Trump-Berater Elon Musk.
  • Ende Mai leistete Außenminister Johann Wadephul (CDU) seinen Antrittsbesuch in den USA. Das Gespräch mit seinem Konterpart Marco Rubio dauert nur 45 Minuten.
NATO

  • Beim NATO-Gipfel Ende Juni wurde ein 5-Prozent-Ziel beschlossen, womit die Mitgliedsländer eine große Steigerung ihrer Verteidigungsausgaben versprechen. Dabei entfallen 3,5 Prozent auf direkte Militärausgaben; 1,5 Prozent auf "periphere" Ausgaben, z.B. Infrastruktur.
  • Außenminister Wadephul (CDU) hatte bereits Mitte Mai seine Unterstützung für das 5-Prozent-Ziel ausgesprochen. Aus der SPD kam dagegen Kritik.
Nahost

  • Die Bundesregierung hat ihre Linie gegenüber Israel progressiv verschärft. Mitte August ergriff sie erstmals eine konkrete Sanktion: Der Export von Rüstungsgütern, welche in Gaza eingesetzt werden können, wurde verboten.
    • Bereits Ende Mai forderte Merz Israel dazu auf, mehr Rücksicht auf die humanitäre Lage in Gaza zu nehmen und warnte vor einer "Hungersnot".
    • Kurz darauf nannte er die Lage "sehr, sehr kritisch" und stellte eine Prüfung der Unterstützung in Israels in Aussicht. Außenminister Wadephul (CDU) erklärte, dass es keine "Zwangssolidarität" mit Israel gebe.
    • Anfang Juni sicherte Wadephul jedoch vor dem Bundestag erneute Waffenlieferungen an Israel zu und betonte die Unterstützung für das Land.
    • Ende Juni schloss sich Deutschland einer Erklärung des Europäischen Rats an, wo eine "sofortige Waffenruhe", die Freilassung aller Geiseln und ein Ende der Gaza-Blockade gefordert wird.
    • Ende Juli verweigerte Berlin die Unterzeichnung eines Appells von 28 Staaten, welcher ein sofortiges Ende des Gazakriegs fordert.
      • Merz betonte, dass die Erklärung des Europäischen Rats von Ende Juni "praktisch inhaltsgleich" sei. Der neue Appell war jedoch deutlich schärfer formuliert und äußerte eindeutige Schuldzuweisungen an Israel.
      • Die Nichtteilnahme führte zu seltener öffentlicher Kritik durch 12 ehemalige Botschafter, welche im Nahen Osten tätig waren.
    • Im Juli betonte Merz, dass es keine Vertreibungen im Gazastreifen und keine Schritte für eine Annexion des Westjordanlands geben dürfe. Eine Anerkennung eines Staates Palästina lehnte Merz vorerst ab.
  • Die Entscheidung der Regierung, Waffenlieferungen an Israel einzuschränken, ist in der Bevölkerung in Deutschland populär (83 Prozent Zustimmung, ZDF-Politikbarometer), doch politisch umstritten.
    • Besonders aus der Union kam Kritik an der Entscheidung, welche Merz offenbar fast eigenständig, jedenfalls ohne größere Einbindung der Unionsfraktion, getroffen hatte.
    • Merz versuchte, die Entscheidung einzuhegen: Sie stelle keine grundlegende Kurswende gegenüber Israel dar.
  • Ende Juli kündigte Merz eine Luftbrücke für den Gazastreifen an, welche Hilfslieferungen in die Region bringen soll. Die Bundeswehr lieferte bis zum 11. August 342 Paletten mit 170 Tonnen Hilfsgütern.
Zusammenarbeit und Institutionen

  • Entwicklungsministerin Alabali Radovan (SPD) versprach Ende Juni im Rahmen der UN-Entwicklungshilfekonferenz in Sevilla, dass Deutschland in der Entwicklungshilfe ein "verlässlicher Partner" bleibt. Trotz "schmerzhafter Kürzungen" werde es sich weiterhin engagieren – müsse aber gleichzeitig Prioritäten setzen.
  • Die Bundesregierung möchte den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) stärken. Konkret soll er Verantwortliche für einen Angriffskrieg persönlich belangen können – bislang existiert das "Verbrechen der Aggression" nicht.
    • Bereits 2010 hatte es einen ersten Anlauf dazu gegeben, auch damals war Deutschland zentral beteiligt. Der Vorgang scheiterte an mangelndem Interesse.
  • Noch vor Regierungsantritt, Ende Februar, hatte Merz angekündigt, Israels Premier Benjamin Netanjahu bei einer Einreise nach Deutschland nicht verhaften zu wollen – und somit einen Haftbefehl des ICC zu ignorieren.
    • Mitte Mai schien er das zu bestätigen, erklärte aber auch, dass derzeit kein Besuch geplant und somit keine Entscheidung vonnöten sei.
Rest der Welt

  • Die Bundesregierung hat Ende Juli den Export von 40 Eurofighter-Kampfjets an die Türkei genehmigt. Medien hatten darüber bereits Ende Juni spekuliert.
    • Die Ampelregierung hatte den Export des europäischen Gemeinschaftsprojekts blockiert. Die neue Regierung ist dagegen offener – um die Türkei sicherheitspolitisch näher zu binden.
    • Offenbar hatte Großbritanniens Premier Keir Starmer darauf gedrängt.
  • Die Bundesregierung bestellte Chinas Botschafter Anfang Juli ein, weil das Militär des Landes mutmaßlich ein deutsches Flugzeug über dem Roten Meer mit einem Laser anvisiert hatte. Peking dementiert.
  • Eine erste Reise nach China plant Merz offenbar gegen Ende des Jahres; eine hochrangige Wirtschaftsdelegation würde ihn begleiten.
  • Die Bundesregierung möchte Insidern zufolge eine Reaktivierung der Nord-Stream-Gaspipelines zu Russland verhindern, etwa indem sie ihr Außenwirtschaftsgesetz verschärft. Das würde ihr z.B. mehr Einfluss bieten, Änderungen in der Eigentümerstruktur bei Nord Stream zu stoppen.
    • Sie reagierte damit Ende Juni auf bestätigte Berichte, wonach die USA mit Russland Gespräche über eine mögliche Wiederaufnahme führten.
  • Die Bundesregierung steht in Kontakt mit den Taliban in Afghanistan, genauer "auf technischer Ebene".
    • Ein Diplomat besuche regelmäßig Kabul und spreche mit Mitgliedern der Taliban-Regierung.
    • Zwei von den Taliban autorisierte Konsularbeamte wurden nach Berlin und Bonn entsandt.
    • Der "pragmatische Ansatz" dient vermutlich dazu, Abschiebeflüge nach Afghanistan zu ermöglichen.

Haushalt und Institutionen_

(2 Minuten Lesezeit)

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD). Quelle: Stephan Roehl, flickr
Haushalt

  • Die Bundesregierung beschloss Ende Juni den Entwurf für den Bundeshaushalt 2025, an welchem die Ampelregierung gescheitert war. Mitte September soll der Bundestag ihn verabschieden.
    • Er sieht Ausgaben in Höhe von 503 Milliarden EUR vor (+8 Prozent). Die Neuverschuldung werde 81,8 Milliarden EUR betragen (mit Sondervermögen: 143,1 Milliarden ).
  • Ende Juli folgte der Entwurf für den Haushalt 2026, welcher Ende September vom Bundestag bestätigt werden soll.
    • Er sieht 520,5 Milliarden EUR an Ausgaben und 89,9 Milliarden EUR Neuverschuldung vor (mit Sondervermögen: 174,3 Milliarden).
  • Bis 2029 erkennt die Bundesregierung eine Finanzlücke (also höhere Ausgaben als Einnahmen) von 172 Milliarden EUR, wie eine Schätzung von Ende Juli zeigt.
Verschuldung

  • Bereits vor Amtsantritt der neuen Regierung und vor der Konstituierung des neuen Bundestags lockerten Union, SPD und Grüne Ende März per Grundgesetzänderung die Schuldenbremse:
    • Kredite für die Verteidigung werden nicht mehr auf die Bremse angerechnet, insofern die Verteidigungsausgaben im Haushalt 1 Prozent des BIP übersteigen.
    • Unter "Verteidigung" fallen dabei auch Ausgaben für den Zivilschutz, Cybersicherheit und Weiteres.
  • Im selben Zuge setzten die Parteien das Sondervermögen "Infrastruktur und Klimaneutralität" (SVIK) auf. Es sieht 500 Milliarden EUR an Krediten bis 2045 vor, welche für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Klima eingesetzt werden können.
    • "Zusätzlichkeit" liegt vor, wenn mindestens 10 Prozent der Ausgaben im Bundeshaushalt investiv sind.
    • Grundsätzlich bleibt unklar, wie das SVIK eingesetzt wird; darüber wird die Bundesregierung in den kommenden Jahren entscheiden.
Behördenapparat

  • Merz strich zu Amtsbeginn Anfang Mai 25 von knapp über 60 Beauftragten- und Koordinatorenposten der Bundesregierung.
    • Sie sollen spezielle Themenbereiche innerhalb der Regierung übernehmen. Gestrichen wurden unter anderem der Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik, für die Länder des westlichen Balkans und für Informationstechnik.
  • Ende Juli machte die Regierung den Weg für 208 neue Beamtenstellen frei. Ein Großteil entfällt auf das Digitalministerium (150), weitere 40 fürs Kanzleramt.
    • Für Ärger sorgte offenbar, dass Ex-Kanzler Olaf Scholz 8 Mitarbeiter verlangt hatte. Die SPD um Finanzminister Lars Klingbeil unterstützte das; die Union war dagegen.
Justiz

  • Die Regierung scheiterte mit der Besetzung des Verfassungsgerichts. Die SPD-nominierte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf scheiterte am Widerstand des rechten Unionsflügels und zog Anfang August ihre Kandidatur zurück.
    • Der Vorgang geriet zu einer Niederlage für die Union, deren Fraktionschef Jens Spahn daran gescheitert war, seine Fraktion auf Linie zu bringen.
    • Im Zuge der Abstimmung kam es zu einem medial intensiven Diskurs mit zahlreichen Vorwürfen, Spekulationen und Meinungsäußerungen.

Wirtschaft_

(8 Minuten Lesezeit)

Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Quelle: Olaf Kosinsky, wikimedia

Sozialpolitik

  • Die Regierung billigte im Kabinettsbeschluss Anfang August ein Rentenpaket, welches das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent des Durchschnittslohns festschreibt. Außerdem wird die Mütterrente ausgeweitet.
    • Eltern von vor 1992 geborenen Kindern erhalten ab 2027 drei statt wie bisher 2,5 Jahre Erziehungszeit angerechnet (und werden damit an Eltern mit Kindern nach 1992 angeglichen).
    • Das Paket dürfte im Jahr 2028 rund 10 Milliarden EUR kosten, bis 2031 steige das auf 15,9 Milliarden EUR an.
  • Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat Mitte Mai einen Plan formuliert, auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen zu lassen. Darüber soll perspektivisch eine Rentenkommission beraten.
    • Ziel wäre es, durch mehr Einzahler das Rentenniveau ohne höhere Beiträge bzw. Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt zu stabilisieren.
  • Arbeitsministerin Bas machte mehrfach Druck auf die unabhängige Mindestlohnkommission, sich auf einen politisch (genauer, seitens der SPD) gewünschten Mindestlohn von ungefähr 15 EUR ab 2026 zu einigen.
    • Die Kommission einigte sich Ende Juni für 2026 auf 13,90 EUR, was 8,4 Prozent Steigerung von derzeit 12,82 EUR entspricht; und 14,60 EUR bis 2027 für insgesamt 13,88 Prozent Steigerung.
  • Kanzler Merz kritisierte Anfang Juni "nicht länger akzeptable" Ausgaben im Sozial- und Kommunalbereich und kündigte eine "umfassende Ausgabenprüfung" an – versprach aber auch bürokratieärmere Fördermittel.
    • Konkret kritisierte er jährliche Steigerungsraten von bis zu 10 Prozent bei der Jugendhilfe oder der Eingliederungshilfe.
  • Die Bundesregierung möchte beim Bürgergeld im Jahr 2026 nur rund 1,5 Milliarden EUR (5 Prozent) einsparen, 2027 dann 4,5 Milliarden. Das wird jedoch von der Arbeitsmarktrealität abhängen; die Regierung ist gesetzlich zu Zahlungen verpflichtet. Eine größere Bürgergeldreform will Arbeitsministerin Bas dieses Jahr vorlegen.
    • Experten und auch die BA-Chefin Andrea Nahles rechnen aufgrund der schwachen Konjunkturentwicklung nicht mit großen Kürzungen im kommenden Jahr.
    • Im laufenden Jahr steigen die Bürgergeldausgaben um 19 Prozent auf 29,6 Milliarden EUR.
  • Um den Pflegerberuf attraktiver zu machen, erhalten Pflegekräfte mehr Befugnisse in der Patientenversorgung und die Pflegeausbildung soll deutschlandweit vereinheitlicht und vergütet werden.
Steuerpolitik und öffentliche Wirtschaftspolitik

  • Im Ende Juni vom Bundestag beschlossenen "Investitionsbooster" senkt die Regierung ab 2028 schrittweise die Körperschaftssteuer auf Unternehmen: von 15 auf 10 Prozent bis zum Jahr 2032.
  • Investitionsbooster: Unternehmen sollen 2025-27 ihre Anlageninvestitionen stärker degressiv abschreiben können, um ihre frühe Steuerlast zu senken – wohl auch als Überbrückung bis zur sinkenden Körperschaftssteuer.
    • Die erwarteten Steuermindereinnahmen durch Abschreibungen und Körperschaftssteuer führten zu Verhandlungen zwischen dem Bund sowie den Ländern und Kommunen. Die Steuerausfälle der Kommunen erstattet der Bund bis 2029 vollständig; jene der Länder teilweise.
  • Die Regierung beschloss in einem Kabinettsbeschluss Anfang August eine Stärkung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls, etwa durch mehr Digitalisierung, Datenanalyse und polizeiähnliche Befugnisse. Sie soll besser gegen verdächtige Arbeitgeber vorgehen können.
  • Im selben Beschluss verlängerte sie die Aufbewahrungspflichten für Buchungsbelege bei Banken, Versicherungen und Wertpapierinstituten, um großen Steuerbetrug besser aufdecken zu können.
Verkehr

  • Die Autobahn GmbH des Bundes erhält vorzeitig 1,1 Milliarden EUR vom Bund, muss also nicht auf die Aufsetzung des neuen Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaschutz (SVIK) warten.
    • Das soll einen Liquiditätsengpass lösen, welcher in der Baubranche bereits zu Warnungen über Auftragsmangel und Kurzarbeit geführt hatte.
  • Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hat Mitte August den Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz entlassen, wobei er während der Nachfolgersuche im Amt verbleibt.
  • Das Deutschlandticket wurde in einem Kabinettsbeschluss Anfang August nach Ansicht des Bundes auch für 2026 finanziert, doch der Städtetag sieht die Finanzierung als unzureichend. An einer längerfristigen Lösung arbeiten Bund und Länder noch immer.
Handelspolitik

  • Die Bundesregierung reagierte Ende Juli verärgert auf das EU-USA-Handelsabkommen. Dieses würde "erheblichen Schaden" kreieren. Gleichzeitig räumte Kanzler Merz ein, dass es "das Beste, was zu erreichen war" sei.
    • Das Abkommen sieht einen allgemeinen Zollsatz von 15 Prozent auf EU-Güter vor, keine Zölle auf US-Güter und uneindeutig definierte EU-Investitionen in die USA.
Energiepolitik

  • Die Bundesregierung verzichtete Ende Juni überraschend auf eine Senkung der Stromsteuer für private Haushalte und sämtliche Unternehmen.
    • Die Kehrtwende stellt den Bruch eines ausdrücklichen Koalitionsversprechens dar und brachte der Regierung scharfe Kritik ein: von Wirtschaftsverbänden, Verbraucherverbänden, Ökonomen und der Politik, darunter auch aus ihren eigenen Reihen (z.B. der CSU).
    • Grund sei die "finanzielle Möglichkeit und Wirklichkeit", so Wirtschaftsministerin Reiche (CDU).
  • Die Regierung beschloss zeitgleich, die Stromsteuer für die Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft zu senken, die Netzausbaukosten stärker auf den Bund zu übertragen zu lassen und die Verbraucher von der Gasspeicherumlage zu entlasten. Das greift zum 1. Januar 2026.
    • Die Grünen kritisieren, dass die Gasspeicherumlage in das Sondervermögen KTF verlagert wird – das Geld also für zusätzliche Klimainvestitionen des KTF fehlen werde.
    • Die Regierung geht laut Insidern davon aus, dass die Umlage nicht mehr benötigt werde. Sie wurde in der Energiekrise Herbst 2022 eingeführt und dient dazu, die Gasspeicher in Mangelphasen zu füllen.
  • Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) möchte die Zahl der Firmen, welche von Stromsubventionen profitieren, laut Medienberichten von 350 auf 2.200 erhöhen.
    • Der Plan würde 4 Milliarden EUR kosten und soll mit EU-Subventionsregeln kompatibel sein.
  • Die Bundesnetzagentur hat Mitte Mai ein Verfahren eröffnet, um die Netzgebühren neu aufzusetzen. Konkret will sie auch Solaranlagenbesitzer stärker an den Netzkosten beteiligen, etwa durch ein "Grundnetzentgelt" oder einen "Kapazitätspreis" (welcher auch bei Einspeisung greift).
    • Bislang fallen Netzkosten an, wenn Strom vom Netz bezogen wird. Solaranlagenbesitzer tun das durch ihre stärkere Autarkie seltener – nutzen das Netz jedoch in sonnenschwachen Zeiten oder, wenn sie an sonnenreichen Tagen Überschüsse ins Netz speisen.
    • Die Bundesnetzagentur hebt zudem hervor, dass die Netzkosten gerade aufgrund der erneuerbaren Energien steigen, private Solaranlagen unter dem aktuellen Modell aber zugleich weniger Einzahlende bedeuten.
  • Wirtschaftsministerin Reiche (CDU) hatte Mitte Mai in einem Interview angedeutet, dass sie Emissionsregeln bei Heizungsanlagen lockern könnte. Bislang bleibt das GEG jedoch unangetastet.
    • Sie wolle einen "Zwang zur Wärmepumpe" im Gebäudeenergiegesetz (GEG) beenden. Dieser existiert nicht, doch die vorgeschriebenen 65 Prozent erneuerbare Energie aus der Wärme neu eingebauter Anlagen lassen sich derzeit am besten mit einer elektrischen Wärmepumpe erreichen.
    • Zuvor hatte sie im Bundestag erklärt, das Betriebsverbot für ältere fossile Heizkessel abschaffen zu wollen.
  • Die Bundesregierung diskutiert, ob sie der Einstufung von Atomenergie als nachhaltig auf EU-Ebene zustimmen soll. Ein deutsch-französisches Papier aus Mai deutet eine Zustimmung an und wird von Merz unterstützt, doch aus der SPD kommt Widerstand.
    • Dabei geht es um die EU-Taxonomie, welche emissionsarme Bereiche definiert, welche für Investitionen gefördert werden sollen. Frankreich und andere setzen sich für eine (teils bereits erfolgte) Aufnahme der Atomenergie ein.
  • Die Bundesregierung möchte die grenzüberschreitende Gasförderung vor der Nordseeinsel Borkum ermöglichen und handelt dazu ein Abkommen mit den Niederlanden aus. Das zeichnete sich seit Mitte Juni ab; Anfang Juli folgte der Kabinettsbeschluss
    • NGOs und die Grünen kritisieren. Die Vorgängerregierung wollte Gerichtsverfahren abwarten; die neue Regierung geht nun initiativ voran.
  • Das Wirtschaftsministerium hat in Gesprächen mit der EU offenbar einen Durchbruch erzielt, um die Genehmigung für mehr neue Gaskraftwerke zu erhalten, wie es Anfang August bekanntgab.
    • Es handle sich um "signifikant mehr als die Hälfte" der bis 2030 geplanten 20 Gigawatt.
    • Die Zustimmung der EU ist notwendig, da der Staat die Gaskraftwerke fördern möchte: Sie sollen nur als Backup für Erneuerbare dienen, womit sie sich von Firmen nicht wirtschaftlich betreiben ließen.
  • Wirtschaftsministerin Reiche (CDU) lässt bis Ende August ein "Energiewende-Monitoring" anfertigen. Das soll die Studienlage rund um die Energiewende analysieren und zusammenführen.
    • Das Energiewissenschaftliche Institut (EWI) der Universität Köln und die Beratungsfirma BET Consulting fertigen es an.
    • Kritiker, darunter die Linke und die SPD, sehen es noch vor Erscheinen als Versuch, die Energiewende zu diskreditieren.
Klimapolitik (außer Energie)

  • Die Bundesregierung verspätete sich Ende Juni bei der Abgabe eines nationalen Klimasozialplans an die EU-Kommission. Damit drohte der Verlust europäischer Fördermittel in Höhe von 5,3 Milliarden EUR.
    • Dabei geht es um Maßnahmen zur Hilfe einkommensschwächerer Haushalte und kleiner Unternehmen aufgrund von Klimamaßnahmen.
    • Die Regierung führte Gespräche mit der EU, um einen Mittelverlust zu vermeiden.
  • Im Kabinettsbeschluss Anfang August brachte die Regierung das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz von Wirtschaftsministerin Reiche (CDU) auf den Weg. Es beschleunigt den Aufbau einer Infrastruktur für die unterirdische CO₂-Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) mittels kürzerer Planungs- und Genehmigungsverfahren.
    • Dafür werden CO₂-Speicher und -pipelines künftig als "im überragenden öffentlichen Interesse" eingestuft.
    • Bislang waren sie überhaupt nur zu Forschungs- und Demonstrationszwecken gestattet.
    • Die Technologie ist unter Klimaaktivisten umstritten; einige befürchten wegen ihr weniger Emissionsvermeidung. Klimaexperten wie der UN-Rat UNFCCC werten CCS wiederum als notwendiges Element einer Klimastrategie.
Industriepolitik

  • Kanzler Merz versucht, der Wirtschaft glaubhaft eine stärkere Dynamik zu versprechen. Mitte Mai sprach er vor dem (tendenziell freundlichen) großen Wirtschaftsrat der CDU.
    • Deutschland sei "zurück"; es brauche mehr und effizientere Arbeit; Viertagewoche und Work-Life-Balance seien für den Wohlstand nicht leistbar; Energiepreise und Bürokratie würden gesenkt.
  • Die Finanzaufsicht BaFin hat Ende Mai angekündigt, das Geschäft mit Turbozertifikaten einschränken zu wollen, bei welchen Anleger mit einem Hebel auf eine Kursentwicklung wetten.
    • 74 Prozent aller Kleinanleger hätten damit zwischen 2019 und 2023 Verluste erlitten, so eine BaFin-Analyse. Im Schnitt verloren sie 6.358 EUR.
  • Die Bundesregierung kündigte Ende Mai eine neue Abgabe für große Digitalplattformen an. Bis Mitte August gibt es jedoch keine konkreten Informationen.
    • Auf eine kleine Anfrage erklärte die Regierung Mitte August, dass derzeit "unterschiedliche Ausgestaltungen [...] geprüft" würden; mehr ist nicht bekannt.
    • Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hatte zuvor in einem Interview einen Abgabesatz von 10 Prozent erwähnt.
  • Der US-Chipkonzern Globalfoundries erhält für einen 1,1 Milliarden EUR schweren Ausbau seiner Chipfabrik in Dresden offenbar mehrere Hundert Millionen EUR staatliche Subvention (der genaue Beitrag ist noch unklar).
    • Globalfoundries stritt mit der vergangenen Ampelregierung, da diese dem Rivalen und Marktführer TSMC Subventionen zugesprochen hatte, Globalfoundries dagegen nicht.
  • Merz kritisierte die Versuche der italienischen Großbank Unicredit, die zweitgrößte deutsche Bank Commerzbank zu übernehmen.
    • Das "unabgestimmte und unfreundliche" Vorgehen sei "nicht akzeptabel".
    • Damit teilt die Merz-Regierung die Position der Vorgängerregierung.
Weiteres
  • Kanzler Merz lehnte Anfang Juli eine gemeinsame europäische Einlagensicherung (EDIS) ab, also dass Deutschland für Bankpleiten in anderen EU-Ländern aufkommt (und andersherum).
    • Es gebe keinen Grund, "funktionierende Haftungssysteme auf Ebene der Mitgliedsstaaten zu vergemeinschaften".
    • Merz' Position wird von den Sparkassen und Volksbanken unterstützt.
    • EDIS ist eigentlich als dritte Säule einer europäischen Bankenunion angedacht (neben einer gemeinsamen Bankenaufsicht und Abwicklungsbehörde).
  • Anfang August beschloss das Kabinett ein neues Tariftreuegesetz. Öffentliche Aufträge ab 50.000 EUR werden nur noch an Unternehmen vergeben, welche sich vertraglich zur Einhaltung tariflicher Arbeitsbedingungen verpflichten.
    • Ausgenommen ist die Bundeswehr.

Verteidigung_

(1,5 Minuten Lesezeit)

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Quelle: Frank Gaeth, wikimedia
Bundeswehr

  • Die Verteidigungsausgaben steigen allein im regulären Haushalt von 57 Milliarden EUR (2024) auf 62,4 Milliarden (2025) und dann auf bis zu 152,8 Milliarden EUR (2029). Dazu kommen bis 2027 knapp 25 Milliarden EUR jährlich aus dem noch laufenden Sondervermögen Bundeswehr.
    • Neue Ausgabenziele der NATO (siehe "Außenpolitik") und die Reform der Schuldenbremse (siehe "Haushalt und Institutionen) deuten steigende Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren an.
  • Die Bundeswehr möchte laut einem Mitte Mai unterzeichneten Dokument ihre Luftkapazitäten deutlich ausbauen.
    • Die Luftverteidigung gegen Fluggeräte und Raketen kurzer und mittlerer Reichweite besitze "höchste Priorität".
    • Außerdem soll die Fähigkeit zu "Präzisionsschlägen" gegen Ziele tief im Feindesgebiet, über die 500 Kilometer der Taurus-Marschflugkörper hinaus, ausgebaut werden.
  • Der Wehrdienst soll nach Vorstellung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD künftig neben einer freiwilligen Komponente (junge Männer müssen jedoch einen Fragebogen ausfüllen), auch einen "Plan B" erhalten: Lässt sich die angepeilte Truppenstärke nicht durch Freiwillige erreichen, soll der Bundestag über die Rückkehr eines Pflichtelements abstimmen.
    • Die Bundesregierung argumentiert, dass dank eines attraktiveren Diensts das Pflichtelement vermeidbar sei. Zumindest nach aktuellem Stand wäre eine Abstimmung dagegen fast garantiert; die Personallücke von knapp 60.000 Soldaten wird sich freiwillig zumindest kurzfristig nicht schließen lassen.
    • Der Gesetzesentwurf soll Ende August vom Kabinett beschlossen und an den Bundestag gegeben werden.
  • Verteidigungsminister Pistorius (SPD) lässt die Eckpunkte eines neuen Bundeswehr-Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetzes erarbeiten.
    • Das bestehende Beschleunigungsgesetz aus dem Jahr 2022 soll über 2026 hinaus bis 2035 verlängert werden. Es vereinfacht unter anderem Vergabepraktiken.
    • Im neuen Entwurf sollen Ausnahmen vom formalen Vergaberecht (z.B. Direktvergaben ohne Ausschreibung) noch stärker genutzt werden; und Vergabeverfahren sollen durch Klagen kürzer aufgehalten werden.
  • Zum neuen Heeresinspekteur wurde Anfang Juli der Generalmajor Christian Freuding ernannt. Er ersetzt Alfons Mais. Die ranghöchste Bundeswehr-Soldatin, Generaloberstabsarzt Nicole Schilling, wird Stellvertreterin von Generalinspekteur Carsten Breuer, dem ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr insgesamt.

Migration_

(3 Minuten Lesezeit)

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), hier 2023 mit Griechenlands Verteidigungsminister Nikos Dendias. Quelle: Υπουργείο Εξωτερικών, flickr

Grenzpolitik

  • Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte am ersten vollen Amtstag die verstärkte Zurückweisung von irregulären Migranten an den Grenzen angekündigt – und möchte auch Asylsuchende zurückweisen lassen.
    • Bei einer Zurückweisung werden irreguläre Migranten noch am Überschreiten der Grenze gehindert. Äußert jemand ein Asylgesuch, darf er nicht zurückgewiesen werden – so bislang die Rechtsauslegung, doch Dobrindt widerspricht.
    • Vulnerable Gruppen, etwa Kinder und Schwangere, sind ausgenommen.
    • Binnen einer Woche sei die Zahl der Zurückweisungen um 45 Prozent gestiegen, so Dobrindt später – und bestätigte, dass auch Asylsuchende zurückgewiesen wurden.
    • Anfang Juni hatte ein Gericht eine konkrete Zurückweisung von Asylsuchenden als rechtswidrig eingestuft.
    • Die Bundesregierung reagierte auf das Gerichtsurteil gelassen: Es schränke die Spielräume zwar möglicherweise etwas ein, so Merz, doch Zurückweisungen von Asylsuchenden seien weiterhin möglich – und würden weiterhin stattfinden.
    • Ende Juni äußerte der Chef des Bundesverwaltungsgerichts, Andreas Korbmacher, Zweifel an der Zurückweisungspraxis gegen Asylsuchende – eine seltene öffentliche Meinungsäußerung, die jedoch keine unmittelbaren Konsequenzen hat.
  • Um die verstärkten Zurückweisungen durchführen zu können, ließ Dobrindt die seit September 2024 bestehenden Grenzkontrollen ausweiten und mehr Personal der Bundespolizei an den Grenzen einsetzen.
    • Über 14.000 Bundespolizisten waren Mitte August an den Grenzen im Einsatz.
    • Die Kosten der Grenzkontrollen betrugen von Mitte September 2024 bis Ende Juni 2025 insgesamt 80,5 Millionen EUR, also ca. 8,5 Millionen EUR pro Monat.
  • Die Grenzkontrollen und Zurückweisungen führten zu (leichtem) Streit mit den europäischen Nachbarn, vor allem Polen. Sie beklagen die Rückkehr irregulärer Migranten (welche sich nicht nach Deutschland weiterbewegen können) und einen gestörten Waren- und Personenverkehr.
    • Dobrindt sprach diesbezüglich mehrfach mit der polnischen Regierung; offenbar zur Kompensation setzt sich Berlin stärker auf EU-Ebene für Gelder an Polen zur Sicherung der EU-Außengrenze ein.
Irreguläre Migration allgemein

  • Ende Mai präsentierte Dobrindt einen Gesetzesentwurf zum Familiennachzug. Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus (also nicht mit Asylstatus) dürften demnach zwei Jahre lang keine Familienangehörigen nach Deutschland holen (mit gewissen Ausnahmen).
    • Der Zuzug für subsidiär Schutzberechtigte war bereits 2016 bis 2018 von der damaligen schwarz-roten Koalition ausgesetzt worden. Danach hatte sie eine monatliche Obergrenze von 1.000 Menschen eingerichtet.
  • Dobrindt hat Mitte Juli einen Gesetzesentwurf eingebracht, mit welchem die Regierung sichere Herkunftsländer künftig per Rechtsverordnung bestimmen könnte.
    • Das soll Abschiebungen erleichtern und "Pull-Effekte" auf Migranten aus den betreffenden Ländern reduzieren; Asylanträge aus betreffenden Ländern sind praktisch chancenlos.
    • Bislang müssen die Einstufungen von Bundestag und Bundesrat abgesegnet werden.
    • Geplant seien Einstufungen etwa für Algerien, Indien, Marokko und Tunesien.
  • Derselbe Gesetzesentwurf soll auch den verpflichtenden Rechtsbeistand in Abschiebehaft abschaffen. Menschen, die Ziel von Abschiebung sind, hätten also nicht mehr garantiert einen (staatlich gestellten) Anwalt zur Verfügung.
    • Die Ampelkoalition hatte das erst im vergangenen Jahr eingeführt.
    • Das sei ein Versuch gewesen, "die Rückführung von Ausreisepflichtigen trotz durchlaufener Verwaltungs- und Gerichtsverfahren mit allen juristischen Möglichkeiten noch zu verhindern", so die neue Regierung.
  • Die Regierung kündigte Ende Mai die verstärkte Abschiebung nach Griechenland an, vor allem bei "jungen, alleinstehenden, gesunden und arbeitsfähigen Männern".
    • Zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Mängel im griechischen Aufnahmesystem nicht gravierend genug seien, um Abschiebungen dorthin zu verhindern.
    • Unklar ist, unter welchen Bedingungen Griechenland hierbei kooperiert; das Land an der EU-Außengrenze fordert seit langem eine gerechtere Lastenverteilung.
  • Die Bundesregierung hat ihr Aufnahmeprogramm für gefährdete Afghanen Anfang Juli vorläufig gestoppt. Kurz darauf entschied ein Gericht im Eilverfahren jedoch, dass Afghanen (samt Familie), denen bereits Zusagen gemacht wurden, ihre Visa ausgestellt werden müssen.
    • Eine Afghanin und ihre 13 Familienangehörigen hatten erfolgreich geklagt. Dutzende weitere Klagen liegen vor.
    • Pakistan geht gegen afghanische Flüchtlinge im Land vor und schiebt sie nach Afghanistan ab; Mitte August kam es zur Verhaftung von Afghanen, welche auf eine Umsiedlung nach Deutschland warteten.

Gesellschaft: Wohnen, Sicherheit, Bildung, Gesundheit

(1,5 Minuten Lesezeit)

Quelle: Matthias Ripp, flickr
Sicherheit

  • Das Innenministerium verbot Mitte Mai die Reichsbürger-Vereinigung "Königreich Deutschland".
Wohnen

  • Das Bauministerium erhält aus den neuen Haushaltsentwürfen im laufenden Jahr 7,4 Milliarden EUR Budget (+10,4 Prozent); im Jahr darauf 7,6 Milliarden EUR (+2,7 Prozent).
    • Zusätzliche Gelder kommen aus dem Sondervermögen Klima- und Transformationsfonds (KTF)
  • Der Bundestag verlängerte Ende Juni die Mietpreisbremse bis Ende 2029; sie war noch bis Ende des Jahres gültig.
Bildung

  • Bildungsministerin Karin Prien (CDU) brachte Anfang Juli die Möglichkeit von Migranten-Obergrenzen an Schulen ins Spiel. Sie wolle sich "die Erfahrungen aus anderen Ländern angucken".
  • Kulturstaatsminister Wolfram Weimer schlug Ende Mai einen Standort in Deutschland als "Exil-Campus" für die amerikanische Harvard University vor; das scheint danach nicht konkretisiert worden zu sein.
Gesundheit

  • Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) treibt die 2024 beschlossene Krankenhausreform voran. Dabei scheint sie Ländern und Krankenhäusern stärker entgegenzukommen, durch mehr Flexibilität und weniger strenge Vorgaben.
    • Es gibt Hinweise, dass sich der Gesetzesprozess schwierig gestaltet: Laut Medienberichten musste ein Anfang August an die Bundesländer versandter Entwurf kurz darauf wieder zurückgezogen und überarbeitet werden. Das Ministerium dementiert.
  • Forschungsministerin Dorothee Bär (CSU) fordert mehr Forschung zu Long Covid und ME/CFS und kündigte Mitte Mai eine Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium an.
Gesellschaft / Identitätspolitik

  • Kanzler Merz ermahnte Ende Juli Muslime an deutschen Universitäten, zu beachten, dass Deutschland ein "laizistischer" Staat sei: mit strikter Trennung zwischen Staat und Kirche und basierend auf Werten wie Offenheit, Liberalität, Toleranz und religiöse Toleranz.
    • Er reagierte auf umstrittene Aktionswochen bzw. Vorträge islamischer Hochschulgruppen, bei welchen es zu Geschlechtertrennung kam.
    • Deutschland ist anders als Frankreich kein laizistischer Staat.
  • Das Innenministerium legte im Juli einen Entwurf vor, wonach der frühere Geschlechtereintrag und frühere Vorname bei Transpersonen gespeichert und somit den Behörden zugänglich bleiben würden.
    • Trans-Aktivisten kritisieren das scharf; eine Petition läuft dagegen.

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Was die neue Koalition plant(2025)

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