Blitzzusammenfassung_(in 30 Sekunden)
- Die Big Beautiful Bill ist in den USA verabschiedet worden. Sie ist ein gigantisches Wirtschaftspaket. Hauptbestandteil: Steuersenkungen und weniger Sozialausgaben.
- Sie erlaubt einen klareren Blick darauf, was “Trumponomics” ausmacht.
- Die BBB ist zutiefst defizitär und dürfte die Schulden um mindestens 3,4 Billionen USD erhöhen – in erster Linie, um Steuersenkungen zu finanzieren.
- Die Steuerregelungen sind regressiv, kommen also Besserverdienern zugute – und dasselbe gilt für die Einschnitte bei den Sozialleistungen, vor allem beim Gesundheitssystem Medicaid.
- Außerdem rollt das Paket Förderungen für grüne Technologien zurück. Das wirkt in erster Linie wie ein Tribut gegenüber dem “Kulturkrieg” und sozialkonservativen Positionen; genau wie einige weitere Aspekte der BBB.
- Zum Verständnis von Trumponomics gehören außerdem eine protektionistische Handelspolitik, Deregulierung und Staatsabbau (z.B. durch DOGE) dazu.
Big Beautiful Bill_
(5 Minuten Lesezeit)
Von BBB zu OBBBA
Manchmal dreht sich die Welt im Kreis. Bevor der letzte US-Präsident Joe Biden sein wirtschaftliches Flaggschiffgesetz aufgrund der Umstände der Zeit zum “Inflation Reduction Act” umbenennen musste, hieß es “Build Back Better Plan”, kurz BBB. Und der neue Präsident Donald Trump? Tauft sein eigenes Flaggschiff die “Big Beautiful Bill”, ebenfalls BBB (wenn auch oftmals mit einem “One” voran und einem “Act” am Ende, was es zu OBBBA verwandelt).
Bevor Bidens Plan durch parteieigene Abweichler und das steigende Preisniveau kräftig dahingeschmolzen wurde, war es die ambitionierte Umstrukturierung der USA seit Jahrzehnten und die größte Ausgabenoffensive seit den 1930ern: Investitionen in Infrastruktur, Wissenschaft und grüne Technologien, kräftig erhöhte Sozialausgaben und eine massive Covid-Geldspritze für Haushalte sowie Unternehmen. 4 Billionen USD wollte Biden so mobilisieren; 20 Prozent des damaligen BIP oder fast die gesamte jährliche Produktion in Deutschland. Die whathappened-Redaktion nannte das in ihrem “Bidenomics“-Explainer “spektakulär”.
Bidenomics ist vorbei; die Ära von Trumponomics hat begonnen. Das Kofferwort aus Trump und economics ist in den vergangenen Wochen mit reichlich Leben gefüllt worden. Doch was sind die zentralen Aspekte von Trumponomics?
Gut zu wissen: Die Demokraten konnten mittels parlamentarischer Regeln erfolgreich den Namen des Gesetzespakets kippen. Offiziell heißt es also nicht etwa “Big Beautiful Bill Act” oder derlei, sondern weitaus sperriger: “To provide for reconciliation pursuant to title II of H. Con. Res. 14.”
Der richtige Zeitpunkt
Gleich vorab: Binnen des ersten Jahres die “Ökonomie” eines Präsidenten zu identifizieren, ist gar nicht unbedingt verfrüht. Die Partei des Präsidenten, insbesondere, wenn sie wie jetzt Unter- und Oberhaus des Kongresses kontrolliert, büßt in den Zwischenwahlen in der Regel ihre legislative Kontrolle ein. Mit Ausnahme von 2002 (als Präsident Bush viel Zuspruch nach den 9/11-Terroranschlägen erfuhr), war das in jeder Zwischenwahl seit der Jahrtausendwende der Fall. Die Trump-Regierung hat also Grund zur Annahme, dass die Republikaner 2026 ihre vollständige Kontrolle über den Kongress verlieren – und bringt deswegen ihre Flaggschiffprojekte schon jetzt durch. Unser “Bidenomics“-Explainer erschien entsprechend bereits im April 2021, also noch einige Monate früher.
Eine der zentralen Säulen von Trumponomics ist die neue Big Beautiful Bill. Sie ist ein bunter Mix aus teils gegenläufigen Visionen und Prioritäten. Zum einen finden sich in ihr klassische republikanische Wünsche nach einem schmaleren, passiveren Staat à la Ronald Reagan; zum anderen ein neuer rechter Wirtschaftspopulismus rund um Geldgeschenke an Haushalte – und das gepaart mit teils sehr spezifischen Überzeugungshilfen für Abgeordnete, welche nötig waren, um die BBB durch mehrere Diskussionsrunden in Repräsentantenhaus und Senat des Kongresses zu manövrieren.
Ein Blick ins Gesetz
Was steht in der BBB? Hunderte teils sehr unterschiedliche Dinge, denn es handelt sich um eine große und recht hektisch zusammengezimmerte “omnibus bill”. Im Folgenden die wichtigsten Elemente, zuerst jene auf der Steuernseite. Wenn dir eine sehr grobe Übersicht genügt, scrolle gleich zu unserer Grafik herunter.
- Die BBB verstetigt Trumpsche Steuersenkungen aus dem Jahr 2017, welche andernfalls Ende des Jahres ausgelaufen wären.
- Sie führt einige weitere Steuersenkungen ein. Darunter sind höhere Steuerabzüge namens SALT, welche vor allem Besserverdienern zugutekommen, und Abzüge auf Trinkgelder und Überstunden. Rentner erhalten Steuervorteile. All diese Beschlüsse gelten bis 2028 oder dem Ende von Trumps Amtszeit 2029 – doch könnten irgendwann verstetigt werden.
- Sie führt gewisse kleinere Steuererhöhungen bzw. neue Steuern ein. Auf “geschenkte” Auslandszahlungen (remittances, häufig durch Migranten) fällt künftig beispielsweise 1 Prozent Steuer an, was über 10 Jahre 10 Milliarden USD einbringen soll.
Bezüglich gekürzter Staatsausgaben:
- Sozialausgaben in Höhe von rund 1,2 Billionen USD werden gestrichen. Das trifft am stärksten das staatliche Gesundheitssystem Medicaid, welches von Beziehenden bis 64 Jahren (mit gewissen Ausnahmen) erstmals verlangt, mindestens 80 Stunden im Monat zu arbeiten, zudem mehr bürokratische Hürden und mehr Kontrollen schafft.
- Trumpscher Sozialkonservatismus zeigt sich darin, dass Medicaid für Schwangerschaftsabbrüche verboten und der Zugang von Migranten eingeschränkt wird.
- Medicaids Fähigkeit, Medikamentenpreise zu verhandeln, wird eingeschränkt, womit höhere Preise für Verbraucher und die Regierung anfallen.
- Auch die Bezieher von Lebensmittelhilfen (SNAP, “food stamps”) unterliegen künftig strengeren Arbeitsanforderungen.
- Die BBB schafft Steuervorteile und Subventionen für grüne Technologien aus der Biden-Ära ab, darunter für erneuerbare Energien, E-Autos, nachhaltige Flugzeugtreibstoffe, Gebäudemodernisierungen und Wasserstoff (eine Ausnahme: Biokraftstoffe). Gebühren auf Methanemissionen entfallen.
Bezüglich neuer Staatsausgaben:
- Die “Trump Accounts” eröffnen private Investmentfonds mit 1.000 USD Startkapital für Kinder, die bis 2028 geboren werden.
- Für den Grenzschutz werden 172 Milliarden USD freigesetzt, darunter die Trumpsche Grenzmauer und die Deportationsbehörde ICE. Mit neuen Gebühren anderswo (Visa werden deutlich verteuert; Asylbewerber müssen 100 USD zahlen) bleiben netto 128 Milliarden USD an Kosten.
- Für die Verteidigung werden 149 Milliarden USD mehr ausgegeben, darunter für den Raketenschutzschirm “Golden Dome”.

Gut zu wissen: Dazu gibt es eine Reihe ungewöhnlicher Bestimmungen. Alaskas republikanische Senatorin hat Steuervorteile für indigene Walfangkapitäne herausgeschlagen, mit welchen sie Boote und Waffen stärker als bisher als “wohltätige Beiträge” absetzen können. Neue Steuerregeln versetzen derweil die Glücksspielbranche und professionelle Pokerspieler in Panik, denn Glücksspieler können künftig nur noch 90 Prozent ihrer Verluste absetzen – wer nach 100.000 USD Einsatz “breakeven” vom Tisch geht, hätte also plötzlich 10.000 USD zu versteuerndes Einkommen.
(Mindestens) 3,4 Billionen USD
Das Gesamtergebnis ist gewaltig. Nach Berechnung des überparteilichen Congressional Budget Office (CBO) wird das Paket die Gesamtverschuldung der USA um 3,4 Billionen USD erhöhen; mit höheren Zinszahlungen obendrauf sogar 4,1 Billionen USD. Zum Vergleich: Die Gesamtverschuldung der USA beträgt derzeit 36,2 Billionen USD; die deutsche Verschuldung umgerechnet knapp 2,9 Billionen USD. Die obigen Zahlen nehmen übrigens an, dass die temporären Teile des Pakets temporär bleiben; werden sie irgendwann verstetigt, würde die BBB die Schulden der USA nach Berechnung des Committee for a Responsible Federal Budget (CRFB) um 5,5 Billionen USD erhöhen.
Teilweise ist die BBB eine Konsequenz der ersten Trump-Amtszeit, als der Präsident den legislativen Prozess noch weitestgehend an das Republikaner-Establishment ausgelagert hatte. Er ließ die Unternehmenssteuern so stark wie noch nie zuvor senken, von 35 auf 21 Prozent; und auch die Steuern für Haushalte fielen – das jedoch zeitlich begrenzt, nämlich bis 2026. Die Begrenzung war zum Teil ein buchhalterischer Trick, denn sie erlaubte, die Kosten der Steuerreform niedriger zu rechnen (aus demselben Grund sind übrigens auch mehrere neue Steuersenkungen in der BBB temporär). Zugleich war klar, dass ein zukünftiger Kongress schwer drumherum käme, sie zu verlängern, denn kurz vor Zwischenwahlen möchte niemand eine Steuererhöhung verhängen. Dass diese Aufgabe nun ausgerechnet Trump selbst zufällt, dürfte er nicht erwartet haben.
Trumponomics #1: Schulden als Hauptmittel_
(3 Minuten Lesezeit)

Trust in the deficits
Was lässt sich aus der BBB also über die Trumpsche Wirtschaftsvision, über “Trumponomics” lernen? Erstens, dass die fiskalische Lage zweitrangig ist. Priorisiert werden niedrigere Steuern, für welche die schon jetzt schnell steigende, im historischen Vergleich sehr hohe Staatsverschuldung nicht nur nicht aufgehalten, sondern noch beschleunigt wird. Von derzeit 96 Prozent wird sie bis 2034 nicht auf 117 Prozent steigen, wie es beim unveränderten Status quo der Fall gewesen wäre, sondern auf 127 Prozent – oder über 130 Prozent, sollten temporäre Bestimmungen verstetigt werden.
Das ist nicht per se überraschend: Trumpsche Wirtschaftspolitik war bereits in der ersten Amtszeit äußerst defizitär und versprach nicht weniger im Wahlkampf. Auch die Republikaner sind traditionell die Partei des Schuldenaufbaus; ihrer Reputation der fiskalischen Vernunft wurden sie zuletzt in den 1970ern unter Nixon gerecht (siehe Grafik). Eine laute Minderheit der Republikaner störte sich zwar am Schuldenaufbau, doch fügte sich letztlich fast einstimmig der Parteilinie.

Diese Grafik zeigt außerdem nur “debt held by public”, was die tatsächlich marktrelevante Verschuldung meint. In einer früheren Grafik zeigten wir die Gesamtverschuldung inklusive Verbindlichkeiten der Sozialkassen (ein Fehler, den Analysten gerne machen). Die Trends bleiben dort sehr ähnlich, doch die Schuldenquote beträgt bei dieser Metrik im Jahr 2024 knapp 124% statt der hier gezeigten knapp 96%.
Der Schuldenaufbau ist riskant, denn bereits jetzt wachsen die Sorgen des Marktes über die USA. Es gibt erste unübersehbare Zeichen, dass Investoren an der politischen Berechenbarkeit des Landes und seiner langfristigen Zahlungsfähigkeit zweifeln; der US-Dollar erlebt – für seine Verhältnisse – regelrechte Kapitalflucht. Gepaart mit einem derzeit recht hohen Zinsniveau, eine Folge der drei Jahre an erhöhter Inflation, riskieren die USA eine gefährliche Verschuldungsspirale: Höhere Schulden wecken Sorgen unter Investoren, welche die Finanzierungskosten des Landes steigen lassen – und somit die Schulden, was besagte Sorgen weiter steigern könnte. Zu jedem Schritt dieses Teufelskreises muss immer mehr Geld für den Schuldendienst aufgebracht werden, das nun anderswo fehlt.
Gut zu wissen: Unser Explainer “Der Dollar schwächelt (und was tut der Euro)” erklärt mehr; ein Link ist auch am Ende dieses Explainers.
Aufs Wachstum hoffen
Die Republikaner haben keine Antwort auf dieses Problem. Offiziell verweisen sie auf höhere Wachstumsraten, welche die anteilig am BIP gemessene Schuldenquote reduzieren, doch das ist kein ernsthaftes Argument (und wird von ihnen drum auch nur auffällig unenthusiastisch vertreten). Grundsätzlich ist es korrekt, dass Steuersenkungen und Staatsausgaben die Wirtschaft ankurbeln können. Dass sich ein Land aus einem Defizit “herauswachsen” kann, ist also prinzipiell wahr. Der Wirtschaftsrat des Weißen Hauses (CEA) schätzt, dass die BBB die Staatsverschuldung somit um 5,5 Billionen USD senken würde. Doch das geht offenbar auf zwei große Rechenfehler, absolut unrealistische Wachstumsprognosen (ca. 1 Prozentpunkt mehr pro Jahr), die völlig spekulative Annahme zukünftiger Reformen (die nichts direkt mit der BBB zu tun haben) und das Ignorieren höherer Zinszahlungen zurück.
Unabhängige Analysten wie das CBO und auch konservative Analysten wie das American Enterprise Institute (AEI) erwarten nur vernachlässigbare bis moderate Wachstumseffekte, welche keine Chancen hätten, mit dem Schuldenwachstum mitzuhalten. Das hängt teilweise damit zusammen, dass die Staatsausgaben zusammengestrichen werden, dass der schnellwachsende grüne Technologiesektor geschwächt wird und dass die Steuersenkungen ja bereits bestanden – sie werden lediglich verändert. Das ist nicht gänzlich trivial, da Menschen in ihrem Konsumverhalten darauf reagieren, ob sie Steuersenkungen als permanent oder vorübergehend einstufen, doch in diesem Falle kommen Ökonomen auf kein positives Ergebnis für die Effekte der BBB.
Gut zu wissen: In Deutschland ist diese Abwägung ebenfalls relevant: Union und FDP hatten im Wahlkampf hohe Defizite präsentiert, welche durch beschleunigtes Wachstum kompensiert werden sollten; Ökonomen hatten jedoch starke Zweifel an den angenommenen Wachstumsraten. Heute ist das Verhältnis zwischen Schulden- und Wirtschaftswachstum für die Schwarz-Rote Koalition in Anbetracht ihrer Schuldenwende wichtig.
Trumponomics #2: Regressiv denken_
(3 Minuten Lesezeit)

Medicaid und SNAP
Die zweite Lehre der BBB über Trumponomics ist, dass es regressiv gedacht wird:Reichere Haushalte kommen besser weg als ärmere. Das ist beileibe keine Bewertung, sondern einfach Mathematik. Es zeigt sich an der Steuerpolitik, aber auch an den Sozialausgaben, deren Zurückdrängung die wichtigste Gegenfinanzierung der Steuersenkungen darstellt.
Medicaid und die Lebensmittelhilfe SNAP werden nicht komplett abgeschafft, doch erhalten strengere Arbeitsbestimmungen und mehr Bürokratie verpasst; und Kosten werden stärker von der Bundes- auf die Staatenebene verlagert. Allein das dürfte Millionen von Menschen vom Bezug ausschließen; das CBO rechnet mit 12 Millionen. Eine ähnliche Reform in Arkansas wurde 2018 eingeführt und dann von einem Richter wieder gekippt, nachdem 20 Prozent der Beziehenden ihren Zugang verloren hatten. Außerdem müssen die Behörden künftig doppelt so oft (alle sechs Monate statt 12) prüfen, ob Beziehende zulässig sind – ausgerechnet inmitten der DOGE-Kürzungen im Staatsapparat dürfte das für Belastung sorgen. Für die USA wäre das ein sozial fragwürdiges Ergebnis, mit wahrscheinlichen negativen Folgeeffekten, aber dafür direkten Einsparungen für den Staat.
Gut zu wissen: 23 Prozent aller Amerikaner – knapp 72 Millionen – nutzen Medicaid, darunter 37,4 Millionen Kinder. Treffen die CBO-Schätzungen zu, würde die Trump-Reform ein Sechstel der Nutzer ihren Zugang verlieren lassen, weil sie Arbeitsbestimmungen nicht erfüllen oder mit den neuen Bürokratieanforderungen nicht klarkommen.
Reiche reicher, Arme ärmer
Insgesamt schätzt das CBO, dass das Gesetzespaket umso lukrativer für einen Amerikaner ist, je einkommensstärker er ist. Das einkommensstärkste Dezil (also die obersten 10 Prozent) könne sich über 2,3 Prozent jährliches Plus beim Einkommen nach Steuern freuen; das fünfte Dezil käme auf unter 1 Prozent und das unterste Dezil verliere fast 4 Prozent an Einkommen. Andere Schätzungen kommen auf ähnliche Resultate; das Budget Lab der Yale University errechnet etwa minus 2,9 Prozent für das unterste Quintil (jeweils 20 Prozent der Bevölkerung) und plus 2,2 Prozent für das oberste Quintil. Die unteren Schichten profitieren dabei zugleich weniger von den Steuererleichterungen und leiden stärker unter den Änderungen bei Medicaid sowie SNAP.

Regressive Wirtschaftspolitik und (defizitäre) Steuersenkungen dürften eigentlich nicht überraschend sein, schließlich sind sie (mit Ausnahme des Wortes in unserer Klammer) seit Jahrzehnten offizieller republikanischer Kanon. Und doch sind sie diesmal insofern beachtlich, als Trump bislang eine relativ mehrdeutige Linie zwischen weniger und mehr Sozialausgaben sowie Geldgeschenken gefahren ist.
Das Trumpisten-Problem
Kein Wunder, denn Trumps Basis ist zerrissen, was Sozialausgaben angeht, und vertritt keine konsistente Position: Rund 80 Prozent wollen einen kleineren Staat und 70 Prozent erkennen in Hilfe an Arme mehr Probleme als Lösungen – doch 77 Prozent lehnen Kürzungen bei den Sozialausgaben ab und 80 Prozent wollen die Steuern auf Sozialabgaben abschaffen. Auch das ist nicht ganz überraschend: Trump verbuchte 2024 große Erfolge unter ärmeren Wählern und in Bezirken, in denen staatliche Transferleistungen einen höheren Anteil des Einkommens ausmachen. Diese ärmeren Wähler kritisieren auf abstrakter Ebene die Idee eines übergroßen, paternalistischen Wohlfahrtssystems, doch lehnen auf konkreter Ebene Policies ab, welche ihnen direkt finanziell schaden würden.
Damit ist die zutiefst regressive Wirkung der BBB ein politisches Risiko für die Republikaner und auch für Trump. Das Paket schnitt in Umfragen regelmäßig schlecht ab, selbst unter Republikanern – laut tendenziell eher linkeren Datenjournalisten übrigens so schlecht wie womöglich kein anderes Gesetzespaket in der Geschichte des Landes. Gerade Medicaid galt eigentlich als politisch unanfassbar und ist auch unter Trump-Wählern beliebt; Trump selbst versprach, es nicht zu kürzen – tut es nun aber de facto.
Selbst Vordenker des MAGA-Spektrums, Trumps innerster Basis, kritisieren die Sozialkürzungen aus inhaltlichen oder politstrategischen Gründen, darunter Ex-Chefberater Steve Bannon. Die BBB könnte die Republikaner damit auf längere Sicht und konkret in der Zwischenwahl 2026 schwächen; und sie könnte das Kräftezentrum in der Partei noch stärker hin zu den populistischen Trumpisten verschieben. Dafür wird es darauf ankommen, wie drastisch sich die Kürzungen auswirken und wer zwischen Republikanern und Demokraten die kommunikative Bedeutungshoheit gewinnt.
Trumponomics #3: Kulturkrieg voran_
(1,5 Minuten Lesezeit)

Die dritte Lehre der BBB: Trumponomics steht im Dienste gesellschaftlicher Ideologie und der “Kulturkriege”. Das ist nicht per se überraschend, denn auch die Bidensche Wirtschaftspolitik wählte inhaltliche Prioritäten. Interessanter ist also, was Trump wählt: Universitäten werden mit höheren Steuern bedacht, Ausländer mit mehr Gebühren und Einschränkungen. Auch der Sexualmedizin-NGO Planned Parenthood, welche bei Abtreibungen hilft, wird ein Jahr lang Geld entzogen. Stattdessen fließt viel Geld in den Grenzschutz und in die Verteidigung, wo personalisierte Projekte des Präsidenten profitieren: Die “Trump-Mauer” an der Grenze zu Mexiko und der Golden-Dome-Raketenschutzschild, etwa. Ein exakter Vergleich zu früheren Präsidenten ist schwierig, doch sozialkonservative oder rechtspopulistische Prioritäten in Themen wie Migration, Sexualrecht und Bildung scheinen die Wirtschaftsagenda von Trump auffällig stark zu beeinflussen.
Hervorzuheben sind die Streichungen bei den grünen Investitionen, denn sie waren ein transformatives Flaggschiffprojekt der Biden-Regierung und stellten eine rasant wachsende Industrie dar. Subventionen und Steuervorteile zu hinterfragen, ist valide, doch einen stichhaltigen wirtschaftlichen Grund, ausgerechnet diese Branche zu schwächen, gab es nicht. Sie wuchs in den letzten Jahren in beeindruckendem Tempo, konzentrierte sich auffällig oft auf republikanische Staaten (weswegen die Partei auch darum stritt, wie viel sie tatsächlich gegen grüne Technologien vorgehen sollte) und bietet eine Lösung für den rasant steigenden Strombedarf der USA (nicht zuletzt aufgrund von KI und da der fossile Sektor skeptisch ist, ob er seine Förderung ausbauen kann – maßgeblich wegen der Unsicherheit durch Trumpsche Handelspolitik). Dass die Trumpschen Steuersenkungen also mit der Schwächung grüner Technologien gegenfinanziert werden, scheint in erster Linie kulturkriegerische und womöglich persönliche – gegen Trumps Vorgänger Biden gerichtete – Motive zu besitzen.
Gut zu wissen: Auch abseits der BBB zeigte sich bereits, dass Trumpsche Wirtschaftspolitik mitunter stark im Dienste der rechten Gesellschaftspolitik steht: Die Regierung nimmt eine Verschärfung eines Arbeitskräftemangels hin, um ihre strenge Migrationspolitik zu fahren – dabei wirkt dieser inflationär und wachstumshemmend.
Trumponomics: Zölle, Deregulierung, DOGE_
(2 Minute Lesezeit)

Die weiteren Säulen
Die Big Beautiful Bill verweist, zusammengefasst, auf drei zentrale Aspekte von Trumponomics: das defizitäre Wirtschaften (also die kräftige Verschuldung), die regressive Sozial- und Steuerpolitik und die hervorgehobene Rolle gesellschaftlich-ideologischer Prioritäten. Die Big Beautiful Bill ist allerdings nicht die einzige Säule von Trumponomics: Der Präsident hat bereits einige weitere präsentiert.
Ein vierter Aspekt von Trumponomics ist die protektionistische Handelspolitik, wobei sie nach Wichtigkeit geordnet derzeit ein Kandidat für die erste Stelle wäre. Die whathappened-Redaktion befasste sich in zwei Explainern mit den Zielen, Funktionsweisen und Missverständnissen der Trumpschen Handelspolitik: “Wie Zölle funktionieren (und wieso sie es meist nicht tun)” sowie “Das Missverständnis mit Handelsdefiziten“. Im Kern geht es darum, dass Trump und die Trumpisten Zölle wahlweise als Weg zu einer “Reindustrialisierung” der USA oder zumindest als Einnahmequelle zur Finanzierung der in diesem Explainer beschriebenen Steuersenkungen sehen. Ersteres ist ein Hochrisikoakt, welchen Ökonomen fast einhellig als unrealistisch bezeichnen; zweiteres wird in der Größenordnung nicht genügen und könnte über geschwächtes Wirtschaftswachstum zum Bumerang geraten. Nach einer äußerst negativen Marktreaktion zog sich das Weiße Haus kommunikativ dahin zurück, die Zölle lediglich als Verhandlungsmittel für neue Handelsabkommen zu bezeichnen. Doch in jedem Fall sind Zölle und andere protektionistische Maßnahmen ein zentraler Bestandteil von Trumponomics.
Ein fünfter und sechster Aspekt sind die starke Deregulierung (oftmals durch präsidiale Dekrete oder Druck auf Behörden) und die Ausdünnung des Staatsapparats durch die Effizienzbehörde DOGE. Bei letzterem zeigt sich auch die Einbindung populistischer Elemente in Trumponomics, wenn etwa nicht nur Effizienzgewinne zum Ziel gemacht werden, sondern auch vermeintlicher Betrug durch einen diffusen “Deep State” oder, häufig, Migranten behauptet wird. Dieser wird mal einfach überhaupt nicht bewiesen, mal stellt sich heraus, dass vermeintliche DOGE-Entdeckungen bereits Jahre zuvor von der Vorgängerregierung entdeckt worden waren.
Gut zu wissen: Wer weitergehen möchte, könnte auch günstige Energie, politische Intervention in die Geldpolitik und “America First”-Industriepolitik als Aspekte von Trumponomics benennen. Es dürfte nicht überraschen, dass die Klassifizierung keine exakte Wissenschaft ist.
Dieser Explainer fokussiert sich auf die BBB. Zum Thema Handelspolitik verlinkten wir oben bereits andere Explainer zum Weiterlesen. Deregulierung und mehr findet sich in unserem Explainer “Alles, was Trump bislang getan hat” von Ende April. Alle Links sind noch einmal ganz unten zu finden.
Nicht sonderlich populär
Trumponomics wird derzeit äußerst skeptisch betrachtet, und zwar auch von natürlichen Verbündeten. Die Big Beautiful Bill ist ein gutes Beispiel dafür. Sie hat wenige Freunde. Klassische Republikaner (und Ökonomen) beklagen die enormen fiskalischen Auswirkungen und fürchten die Resultate an den Wahlurnen. MAGA-Trumpisten stören sich an den regressiven Maßnahmen. Demokraten haben unter Hunderten Reformen freie Wahl darüber, worüber sie am verärgertsten sein möchten. Das Ausland blickt nervös auf die fiskalische Instabilität in den USA.
Mindestens Donald Trump selbst ist von seinem Flaggschiffprojekt jedoch überzeugt. Es sei “das beliebteste Gesetz in der Geschichte unseres Landes” und “das wohl bedeutendste Gesetz, das in der Geschichte unseres Landes jemals unterzeichnet wird”, erklärte er. Noch muss der Präsident allerdings erst beweisen, dass seine “BBB” zumindest das bedeutendste Gesetz mit diesem Namen ist.
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