September 7, 2025
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12 Minuten Lesezeit

Warum Zentralbanken unabhängig sind

Inspiriert von Vorgängen in den USA, ein Blick auf die Hüter der Geldpolitik.
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Blitzzusammenfassung_ (in 30 Sekunden)
  • Zentralbanken sind häufig politisch unabhängig, weil sie so am besten ihr Mandat der Preisstabilität (also geringer, stabiler Inflation) verfolgen können.
  • Eine unabhängige Zentralbank ist glaubwürdiger, und diese Glaubwürdigkeit ist wichtig, weil sie die Inflationserwartungen und damit die Inflation selbst beeinflusst.
  • Gleichzeitig nutzen Regierungen in Ländern mit schwachen Institutionen die Zentralbanken gerne für eigene Zwecke und graben ihre Unabhängigkeit und ihre Glaubwürdigkeit in der Beherrschung der Inflation an.
  • In den USA ist die Fed seit 1951 faktisch unabhängig; ein Zugriffsversuch durch die Nixon-Regierung scheiterte desaströs und führte (verstärkt von der Ölkrise) zu über 10 Jahren hoher Inflation.
  • Heute greift die Trump-Regierung in bislang einzigartigem Maße nach Einfluss auf die Fed, sei es durch Attacken auf ihren Vorsitzenden oder die Entlassung einer Direktorin.
  • Dass die Regierung sich tatsächliche Kontrolle verschafft, ist aufgrund einer Reihe an Faktoren unwahrscheinlich – doch der Schaden für die Glaubwürdigkeit könnte schon jetzt erfolgt sein.

Warum Unabhängigkeit?_

(6 Minuten Lesezeit)

Es muss eine mächtige Institution sein, welche ihre Unabhängigkeit von der Politik selbst dort bewahren kann, wo die Regierung ihre Macht nicht abzugeben bereit ist. Russland toleriert zwar keine relevante Opposition mehr, doch die Zentralbank agiert relativ unbeeindruckt von politischem Druck. Würde in China Präsident Xi Jinping plötzlich die Linie der Zentralbank diktieren, wäre das eine große Nachricht, obwohl die Partei dort doch eigentlich vollumfänglich den Staat kontrolliert. Und in den USA ist der Status der Zentralbank selbst für jene konservative Beobachter eine (vermeintliche) rote Linie, welche eine anderweitig wachsende Machtzentralisierung mit Gelassenheit verfolgen.

Die Preisstabilität

Zentralbanken müssen nach gängiger Vorstellung unabhängig sein, weil sie nur so ihre Aufgabe erfüllen können. Diese ist in aller Regel die Preisstabilität: Sicherstellen, dass die Inflation weder zu hoch, noch zu niedrig ausfällt - sondern nahe eines konkreten, öffentlich verlautbarten Werts liegt (in den USA und im Euroraum sind es 2 Prozent). Manche Zentralbanken, darunter die amerikanische Federal Reserve (Fed), haben ein Doppelmandat: Neben der Preisstabilität ist das auch der Arbeitsmarkt, was im Grunde bedeutet, dass die Fed Inflation und Wachstum balancieren soll, denn das BIP-Wachstum und der Arbeitsmarkt sind eng verknüpft.

Um ihr Ziel zu erfüllen, haben Zentralbanken eine Reihe von Werkzeugen zur Hand. Sie können unterschiedliche Leitzinsen erhöhen und senken und damit das Kreditverhalten in der Wirtschaft beeinflussen. Sie steuern über die Geldmenge den Wert des Geldes und stellen sicher, dass die Wirtschaft liquide mit Bargeld bleibt. Sie wirken auf die Wechselkurse ein und verwalten die Devisenreserven. Darüber hinaus – und eher indirekt mit dem Ziel der Preisstabilität verknüpft – überwachen sie Geschäftsbanken, erheben Statistiken, fungieren als Bank der Regierung und treten in einigen Fällen als Geldgeber auf, welcher ins Straucheln geratene Banken oder Staaten vor dem Bankrott bewahrt ("lender of last resort").

Gut zu wissen: Wie funktionieren Leitzinsen? In aller Kürze bestimmen sie, wie teuer es für Geschäftsbanken ist, sich Geld von der Zentralbank zu leihen, es bei ihr zu lagern oder sich untereinander Geld zu leihen. Je niedriger die Leitzinsen sind, umso attraktiver ist es für die Banken, Liquidität anzuschaffen und dann in Form von Krediten in die Wirtschaft zu pumpen – und umso günstiger können sie diese anbieten. Für Firmen und Haushalte ist es somit günstiger, sich Geld für Investitionen und Konsum anzuschaffen. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt; Firmen schaffen neue Arbeitsplätze, Haushalte konsumieren noch mehr.

Und warum gehen niedrige Leitzinsen häufig mit Inflation einher? Steigt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage aufgrund der eben erklärten Dynamik, steigen erst einmal auch die Preise – denn das Angebot benötigt in der Regel etwas länger, um mitzuziehen. Außerdem steigt durch das Kreditverhalten der Banken auch die Geldmenge, und mehr Geld im Umlauf bedeutet nach gängigem Verständnis, dass der Wert einer einzelnen Geldeinheit sinkt – was ebenfalls Inflation bedeutet. Zwei wichtige Disclaimer: Es gibt noch weitere Mechanismen, über welche Leitzinsen auf die Inflation einwirken; und der beschriebene Effekt ist keineswegs garantiert, da viele andere Faktoren gleichzeitig auf die Preisentwicklung einwirken können.
Falsche Ziele und fehlende Glaubwürdigkeit

Die Unabhängigkeit der Zentralbank spielt dabei aus zwei Gründen eine Rolle. Zum einen laufen die Ziele einer Regierung häufig gegen jene der Preisstabilität. Eine Regierung möchte vor einer Wahl vermutlich gute Wachstums- und Arbeitsmarktzahlen präsentieren können. Niedrige Leitzinsen führen genau dazu – allerdings in der Regel auch zu höherer Inflation. Auch andere Zielvariablen einer Regierung (ihre Verschuldung, ihre Einnahmen, der Wert der Währung, etc.) können mit dem Mandat der Zentralbank kollidieren. Ist diese also nicht unabhängig, verfolgt sie ihre Aufgabe womöglich einfach nicht.

Der zweite Grund ist verwandt, doch verdient es, separiert zu werden: Erwartungen. Selbst wenn die abhängige Zentralbank die Preisstabilität ernst nimmt und passende Maßnahmen ergreift, besteht die Gefahr, dass Wirtschaftsakteure ihr das einfach... nicht glauben. Sie halten es für so wahrscheinlich, dass die Zentralbank früher oder später auf Regierungslinie einschwenkt. Und das aggregierte Verhalten von Firmen, Haushalten, Investoren und Co. bestimmt am Ende die ökonomische Realität.

Denken Arbeitnehmer etwa, dass die Inflation relativ hoch sein wird, weil die abhängige Zentralbank die Preisstabilität nicht so ernst nimmt, werden sie höhere Gehälter aushandeln. Höhere Gehälter veranlassen Firmen zu höheren Preisen und tragen zur Inflation bei. Ein zweites Beispiel: Erwarten Firmen höhere Inflation, so rechnen sie damit, dass ihre Kosten steigen – und erhöhen prophylaktisch ihre Preise, womit sie die Inflation antreiben. Die abhängige Zentralbank führt also zu einer höheren Inflationserwartung in der Wirtschaft, und Inflationserwartungen beeinflussen Preise und damit die tatsächliche Inflation.

Zusammengefasst: Eine abhängige Zentralbank ist eine schlechtere Zentralbank. Erstens, weil sie ihr Ziel der Preisstabilität aufgrund von Zielkonflikten wahrscheinlicher beiseitefallen lässt; zweitens, weil sie konstant mit höheren Inflationserwartungen zu kämpfen haben wird, weil Wirtschaftsakteure ihr nicht vertrauen, die Preisstabilität ernstzunehmen. Das ist kein rein theoretischer Mechanismus: Zahlreiche Studien haben den Zusammenhang über die Jahrzehnte empirisch herausgestellt.

Diese Grafik einer Studie aus 2022 zeigt, dass die Phase höchster Inflationsraten in Lateinamerika (blau) mit der niedrigsten Zentralbankunabhängigkeit (rot) einherging, und andersherum eine hohe Zentralbankunabhängigkeit seit den 1990ern mit relativ geringer Inflation. Quelle: Jácome and Pienknagura, entnommen aus BIS (2025)

Dass Geldpolitik eine derart psychologische Sache ist, kann eigentlich nicht überraschen. Fiatgeld (in Abgrenzung zu Rohstoffgeld) funktioniert nur, weil genug Menschen darauf vertrauen, dass es funktioniert. Die Zentralbank steht als Garant dieses Systems im Hintergrund und verspricht, dass die Währung einen relativ stabilen, vorhersehbaren Wert behält – und damit als Geld funktioniert. Verliert die Zentralbank ihre Glaubwürdigkeit, sinkt das Vertrauen in den Geldwert und in die Währung als solche.

Draghi-Effekt und Türkei-Mahnmal

Beispiele für die Wichtigkeit von Zentralbank-Glaubwürdigkeit gibt es zuhauf, doch das Beste könnte Mario Draghi im Jahr 2012 geboten haben. Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) erklärte damals, dass die EZB "whatever it takes" tun würde, um den Euro inmitten der Eurokrise zu stabilisieren – "and believe me, it will be enough". Das nahm tatsächlich den Druck auf den Euro, denn Investoren glaubten Draghis Ankündigung. Die EZB besaß genügend Glaubwürdigkeit, um allein mit ihrer öffentlichen Ansage den erhofften Effekt zu erzielen. Der "Draghi-Effekt" ist heute ein Konzept in der Ökonomie und hat sogar einen eigenen Wikipedia-Artikel.

Ein berühmtes Negativbeispiel ist wiederum die Türkei, welche hier jedoch nur stellvertretend für die zahlreichen meist autoritäreren, häufig ärmeren Länder mit fehlender Zentralbankunabhängigkeit und volatilen Preisen stehen soll. Seit 2018 befindet sich die Türkei in einer Wirtschaftskrise, welche sich unter anderem durch sehr hohe Inflationsraten äußert; zeitweise von über 80 Prozent (laut offiziellen Zahlen; inoffizielle Schätzungen platzierten sie näher an 150 Prozent). Die Zentralbank des Landes ist effektiv unter Kontrolle des Finanzministeriums und damit von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Er hatte vor Wahlen 2018 und 2023 niedrige Leitzinsen forciert, was die Inflation und somit die Krise weiter antrieb. Leitzinssteigerungen bezeichnete er als unislamisch und "Verrat". Erst mitten in der Krise (und einige Monate nach der Wahl 2023) lenkte er ein und ließ orthodoxe, also der Mehrheitsmeinung angehörende, Ökonomen eine strengere Geldpolitik fahren.

Gut zu wissen: Nicht alles was wir oben als Einsatzfelder einer Zentralbank aufgelistet hatten, mag nach "Preisstabilität" klingen, und so manches hat damit tatsächlich eher indirekt zu tun. In der Realität achten Zentralbanken eben nicht ausschließlich auf die Preisstabilität, sondern haben auch andere Themen im Blick: das Wachstum, die Stabilität der Banken und die Stabilität der Staatsfinanzen. Weil das im Kern nicht ihr Mandat ist, führen diese Aktivitäten teilweise zu kontroversen Diskussionen.

Das gilt besonders dafür, dass die Europäische Zentralbank (EZB) auch den Themenblock Klima in ihrer Arbeit stärker berücksichtigen möchte. Einige Beobachter lehnen das scharf ab: Nicht nur, dass das über das EZB-Mandat hinausgehe, es erschwere auch ihre Arbeit mit der Preisstabilität. Denn das Ziel Klimaneutralität und das Ziel Preisstabilität können realistisch regelmäßig gegeneinanderlaufen, womit die EZB weder das eine, noch das andere Ziel glaubwürdig verfolgen könnte, so Kritiker. Auf der anderen Seite argumentieren Unterstützer entweder normativ oder damit, dass Klimarisiken inzwischen grundlegende Finanzsystemrisiken darstellen würden.

USA: Die Attacken auf die Fed_

(6 Minuten Lesezeit)

Paul Volcker, Vorsitzender der Federal Reserve von 1979 bis 1987. Quelle: Life Picture Collection

Die Lage in den USA Die USA richteten ihre Zentralbank, die Federal Reserve (Fed), im Jahr 1913 ein. Sie war zwar von Anfang an formell unabhängig, doch stand lange effektiv unter (teilweiser) Kontrolle des Finanzministeriums. Damit nahmen die Belange der Regierung meist Vorrang vor der Preisstabilität ein. Im Zweiten Weltkrieg trug sie etwa zur Finanzierung der Regierung bei. Erst 1951 erreichte sie tatsächliche Unabhängigkeit.

Das einzige Mal, als ein Präsident die Unabhängigkeit der Fed attackierte, endete desaströs. Richard Nixon ließ den Fed-Chef Arthur Burns unter hohem politischen Druck die Leitzinsen senken, um sich bessere Chancen in der Präsidentschaftswahl 1972 zu sichern. Die Inflation stieg bereits vor dem Ölschock im Folgejahr, doch explodierte dann vollends und kletterte auf über 11 Prozent für das Gesamtjahr 1974. Es sollte mehr als ein ganzes Jahrzehnt dauern, bis die Inflation wieder gebändigt war.

Das Jahrzehnt hoher Inflationsraten wurde letzten Endes vom neuen Fed-Chef Paul Volcker beendet. Er spielte das Spiel mit den Erwartungen korrekt: Mit einer Reihe scharfer Maßnahmen, darunter radikalen Leitzinssteigerungen, versetzte er der US-Wirtschaft in den frühen 1980ern den "Volcker-Schock": Jedem Wirtschaftsakteur wurde klar, dass Volcker die Bändigung der Inflation zur ersten Priorität machte – und dafür auch eine schwere Rezession hinzunehmen bereit war. Das ließ die Inflationsraten tatsächlich fallen.

Gut zu wissen: Ein Argument gegen eine unabhängige Zentralbank kann lauten, dass die Notenbanker darin nicht demokratisch gewählt worden sind, doch hohen Einfluss auf das Land ausüben. Im weitesten Sinne ähnelt das Argumenten über die Justiz, vor allem über die Besetzung von hohen Instanzen wie Verfassungsgerichten.

Trump greift nach der FedFast ein Vierteljahrhundert nach Nixons Angriff auf die Zentralbankunabhängigkeit ist es erneut ein republikanischer Präsident, welcher das Manöver wagt. Donald Trump befasste sich in seiner ersten Amtszeit eher am Rande mit der Fed. In der zweiten hat er sie zu einem Erzfeind ernannt, gemeinsam mit ihrem Präsidenten Jerome Powell, welchen Trump 2017 selbst nominiert hatte.

Trump fordert die Fed seit Monaten (im Grunde seit einigen Jahren) lautstark zur Senkung der Leitzinsen auf. Kein Wunder: Er dürfte hoffen, dadurch den wachstumshemmenden Effekt seiner Zollpolitik auszugleichen. Trump kritisiert Powell als inkompetent und hat mehrfach öffentlich mit seiner Entlassung gespielt, auch wenn er nach einer äußerst negativen Marktreaktion – verunsicherte Investoren ließen die Finanzierungskosten der US-Schulden kräftig steigen – einlenkte. Später behauptete Trump, dass Powell die Renovierung des Fed-Gebäudes schlecht gehandhabt habe, was zu einem bemerkenswerten Schlagabtausch vor laufender Kamera führte, beide mit Bauarbeiterhelmen auf dem Kopf. Auch das wirkte wie ein Versuch, sich einen Grund zur Entlassung Powells zu bieten. Doch tatsächliche Schritte unternahm die Trump-Regierung nicht. Womöglich auch, weil Powells Amtszeit ohnehin im Mai 2026 endet.

Ende August folgte jedoch eine Eskalation. Trump feuerte Lisa Cook, eine von sieben Direktoren am Federal Reserve Board of Governors, der Leitung der Fed. Grund sei Hypothekenbetrug gewesen, obwohl Cook weder angeklagt, noch verurteilt worden ist. Trump testete damit einmal erneut die Grenzen seiner exekutiven Macht: Er darf Fed-Direktoren nur "mit hinreichendem Grund" (with cause) feuern. Ob das hier der Fall ist, ist unklar. Cook erkennt die Kündigung nicht an und bleibt vorerst im Amt; der Fall geht nun vor Gericht. Wohlgemerkt nicht der Vorwurf gegen Cook, sondern die Frage, ob Trump sie feuern darf. Selbst wenn der Vorwurf gegen Cook bekräftigt wäre, ist unklar, ob das als "Grund" genügt: Sie händigte die Dokumente 2021 noch vor ihrer Ernennung ein und es müsste womöglich nachgewiesen werden, dass sie absichtlich handelte.

Gut zu wissen: Das Federal Reserve Board of Governors leitet die Fed; ihre Mitglieder werden vom Präsidenten für 14-jährige Amtszeiten nominiert und vom Senat bestätigt. Das Federal Open Market Committee (FOMC) ist wiederum das Gremium innerhalb der Fed, welches die tatsächlichen geldpolitischen Entscheidungen trifft, zum Beispiel über Leitzinsveränderungen. Es besteht aus 12 Mitgliedern: den sieben Direktoren im Board und fünf Präsidenten bundesstaatlicher Zentralbanken (z.B. der New York Fed).

Mit dem Manöver beweist Trump, dass er bereit ist, die Fed personell anzugehen – und vor Gerichten ergründen zu lassen, wo jener "Grund" anfängt, welcher ihm das erlaubt. Das ist das erste Mal in der Geschichte der Zentralbank. Ziel dürfte es sein, seinen Einfluss auf die Fed auszubauen. Gelingt es ihm, Cook zu vertreiben, hätte er vier von sieben Direktoren der Fed ernannt (zwei aus seiner ersten Amtszeit und eine Stelle, welche vor Kurzem frei geworden ist). Anfang 2026 bestimmen die Direktoren die fünf übrigen Mitglieder des FOMC (siehe oben), welches über die Geldpolitik bestimmen wird – der Zeitpunkt ist für Trump also günstig.

Die Stärke der FedDie Märkte reagierten vor einigen Monaten scharf negativ auf Trumps Attacken gegen die Fed. "Märkte" bedeutet an dieser Stelle den groben Mix aus Anleihemarkt (wo sich entscheidet, wie teuer Schulden für die USA sind), Aktienmarkt (als Repräsentation des Firmenwerts) und Währungsmarkt. Die zutiefst negative Reaktion bewegte die Trump-Regierung damit zu einem gewissen Einlenken; Trump mäßigte seine Rhetorik gegen Powell. Auf die jüngsten Manöver Trumps reagierten die Märkte wiederum auffällig gelassen. Das könnte einige gute Gründe haben.

Wie viel Schaden Trump an der Fed tatsächlich anrichten kann, ist nicht ganz klar. Erstens ist da die ungeklärte Frage, ob er Cook überhaupt verdrängt bekommt. Täte er das, wären zwar vier von sieben Direktoren von ihm nominiert worden, doch die zwei, welche bereits im Amt sind, gelten als überparteiliche Technokraten. Selbst wenn Trump als Powell-Ersatz ab Mai 2026 einen Loyalisten an die Spitze der Fed bringen sollte, würde dieser das FOMC nicht alleine überstimmen können. Der Senat müsste allen Nominierungen zustimmen, und auch wenn eine Revolte der dortigen Republikaner gegen den Präsidenten zumindest unwahrscheinlich ist, stellt es eine weitere Hürde dar.

Dass Trump die Zentralbank vollständig an sich reißt, ist damit ein eher exotisches Szenario. Und im Großen und Ganzen bleibt es etwas zu früh, um den Schaden auf die Glaubwürdigkeit (geschweige denn Unabhängigkeit) der Fed präzise einzuschätzen. In einer Umfrage der Financial Times unter 94 westlichen Ökonomen äußern sich 45 Prozent abwartend, 28 Prozent vorsichtig optimistisch (gewisse Schäden, doch die Funktionsfähigkeit der Fed bleibt bewahrt) und 27 Prozent sehen die Fed kritisch beschädigt.

Die Schwäche der Fed

Nichtsdestotrotz ist gewisser Schaden bereits vollbracht. Trump hat eine Aura der politischen Unantastbarkeit der Fed verletzt und sie schon jetzt politisiert. Beobachter können mit Fug und Recht weitere Manöver der Trump-Regierung erwarten; und Vergeltungsaktionen der Demokraten, sollten sie irgendwann an der Macht sein, sind ausdrücklich vorstellbar. Mit dieser Politisierung sinkt die Glaubwürdigkeit der Fed und ihre Befähigung, eine effektive Geldpolitik zu fahren.

Die Folgen für die USA werden mit hoher Sicherheit negativ sein. Entkoppeln sich die Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure, wird die Inflation steigen. Vertrauen Anleger der Zentralbank nicht mehr, dürften sie aufgrund der höheren Unsicherheit die Finanzierungskosten der USA steigen lassen und damit deren Schuldenprobleme verschärfen. Und wenn hinter dem Wert des US-Dollars nicht mehr eine glaubwürdige, überparteiliche, technokratisch-langfristig denkende Institution wie die Fed steht, verliert er wichtige Argumente als Weltwährung – womit die USA bedeutsame Vorteile einbüßen könnten. Zumindest die gestiegenen Finanzierungskosten und der schwächere Dollar zeigen sich bereits.

Die USA stehen damit vor einem möglicherweise gefährlichen Pfad. Lehren aus aller Welt, aus der Forschung und auch aus der eigenen Geschichte sollten eigentlich vor einer politischen Kontrollnahme der Zentralbank warnen. Bislang scheint die Regierung bereit zu sein, stattdessen ihrem eigenen Instinkt zu folgen.

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